Glosse:Das Streiflicht

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Warum gilt heute eigentlich jeder Zweite als Vordenker von irgendetwas? Über diese Frage lohnt es sich ein wenig länger nachzudenken.

(SZ) Gerade ist wieder viel von und über Ralf Fücks zu lesen. Das hat folgenden Grund: Ralf Fücks zählt zu jenen Politikern, die an andere Politiker und ihre Politik ganz viele Fragen stellen. Diese Fragen müssen zuvor ersonnen und zudem mit Hand und Fuß versehen werden, denn die Welt steht vor vielen Herausforderungen, welche wiederum Entscheidungen erfordern, die ausschließlich solche Menschen treffen können, denen unablässig neue Ideen und Perspektiven zugeführt werden. Menschen wie Ralf Fücks werden gerne Vordenker genannt, weil sie einerseits den anderen, die im Denken nicht dermaßen geübt sind, vormachen, wie man denkt. Und weil sie heute schon die Gedanken haben, die andere, weniger helle Köpfe frühestens morgen oder übermorgen haben werden. Frank-Walter Steinmeier ist kein Vordenker. Der Bundespräsident denkt lieber über dieses und jenes nach, schreibt anschließend einen langen und seltsamen Essay und verreist nach Diktat mit einem Döner-Koch nach Istanbul. Danach liest er auf X, das irgendwann sicher wieder Twitter heißen wird, er sei gedankenlos, weil ihm zur Türkei nichts Besseres als gesäbeltes Fleisch einfiele. Hätte Steinmeier einen Vordenker wie Ralf Fücks gefragt, wäre kein Döner-Koch nach Istanbul mitgeflogen, sondern ein Zeit-Journalist, ein Immunologe oder Jan Böhmermann.

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