Glosse:Das Streiflicht

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(Foto: SZ)

Auf einem Pfannkuchen erkannte früher die eine das Gesicht von Jesus, der andere das von Micky Maus. Die künstliche Intelligenz lässt nun keinen Raum mehr für Uneindeutigkeiten: Der Krabben-Jesus besteht aus Krabben.

(SZ) Es kommt nicht nur zu Ostern vor, dass Menschen auf eine frisch geröstete Toastscheibe schauen und dort das Gesicht von Jesus sehen. Oder sie nehmen einen Kartoffelchip aus der Tüte und erkennen darin das Profil von Elvis Presley. Das Phänomen des Gesichtersehens wird in der Wissenschaft als Pareidolie bezeichnet, eine Art Überlebensstrategie. Wer, etwa in einem Gebüsch, ein Gesicht zu erkennen glaubt, bleibt vorsichtig und bereitet sich auf eine möglicherweise unangenehme Begegnung mit der zum Gesicht gehörenden Persönlichkeit vor. Den Dingen Gesichter zuzugestehen, heißt also: das schwer Fassbare fassen zu wollen. Deshalb kann eine Wolke dem müden Nachmittagsgesicht der Kassiererin aus dem Supermarkt gegenüber ähneln. Im Zeitalter des Spätkapitalismus kommt es außerdem vor, dass jemand, der auf einer Toastscheibe die Jungfrau Maria erblickt, nicht nur Ordnung in die Unordnung aller Dinge bringt. Er kann nebenbei auch noch Ordnung in seine Finanzen bringen. 2004 wurde ein Marien-Käsesandwich bei Ebay für 28 000 Dollar versteigert. Ein ehrlicher Deal, der Bieter bekam ja was für sein Geld - anders als derjenige, der mal bei Ebay eine Luftgitarre ersteigert hat.

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