Glosse:Das Streiflicht

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Es wird nun wieder laue Frühlingslüfte geben und damit leider auch wieder mehr Tauben. Soll man ihnen robust zu Leibe rücken? Es gibt womöglich eine raffiniertere Methode der Geburtenkontrolle.

(SZ) Der Frühling lässt sein blaues Band, so ganz allmählich, wieder flattern durch die Lüfte, denn wir sind in jenem sonnenmilden Monat, den schon die alten Römer zu Ehren des CDU-Vorsitzenden auf den Namen Merz tauften. Überall flattert und zwitschert und zirpt und tschilpt es. Allerdings, man muss es leider sagen, es gurrt auch ganz gehörig. In den Bahnhofshallen gurrt es, auf Mauervorsprüngen und Fenstersimsen, von Dachrinnen und Balkonen. Es gurrt selbst da, wo unwirtliche Vogelabwehrspitzen es verhindern sollen. Tauben sind zähe Biester, und die Frage nach dem geeigneten Management ist eine umkämpfte kommunalpolitische Angelegenheit, bei der der Fraktion der Falken wiederum jener der Tauben gegenübersteht.

Der Konflikt spitzte sich unlängst in Limburg zu, wo die Stadt nach alter Sitte einen Henker bestellen wollte, der dem Gefieder das Genick bricht. Mehr als 3000 Menschen wandten sich jedoch in einem Bürgerbegehren gegen das blutrünstige Ansinnen, denn das geht gar nicht. Minimalinvasive Methoden finden mehr Zustimmung, etwa das Ausstreuen von Katzenhaaren auf dem Balkon oder dort angebrachte Vogelscheuchen oder Flatterbänder, die aber vermutlich nur in der Poesie einen taubenfreien Frühling garantieren. Nachahmer gefunden hat in deutschen Städten zuletzt das sogenannte Augsburger Modell, das eine Geburtenkontrolle mit der Methode des Austauschs der Taubeneier durch Attrappen aus Gips vorsieht. Der Verein Stadttauben München e. V. gurrt fröhlich, man habe den Stadttauben in München allein im vergangenen Jahr gut 2000 Fake-Eier ins Nest gekuckuckt.

Das klingt so pfiffig, dass man sich fragt, warum man nicht längst alle weiteren Plagen auf diese Weise bekämpft, etwa die sich schlagartig vermehrenden E-Scooter. Vielleicht ist hier weitere Forschung vonnöten. Die Wissenschaft vermochte zwar allerlei verendete E-Scooter in Flüssen und Straßengräben aufzulesen, jedoch nicht die bevorzugten Brutplätze dieser invasiven Art zu lokalisieren. Die weitere Ausbreitung von Bubbletea-Läden stoppte jäh aus ungeklärter Ursache, ehe die aufwendigen Gipsmodelle fertiggestellt werden konnten. Zwischenzeitlich sah es allerdings nach einer Wiederzunahme der Bestände aus, man sollte sich wappnen. Bei dem, was der Frühlingsheilige Merz von sich gibt, stehen Umweltschützer vor einem ähnlichen Problem: Die unreifen Gedanken entschlüpfen dem Politiker schneller, als sie durch Attrappen ausgetauscht werden könnten. Allerdings warnen Taubensachverständige ohnehin vor überzogenen Erwartungen: Die Wirksamkeit ist umstritten. Wenn sich im Nest nichts rührt, zieht der Vogel eben weiter und probiert es andernorts. Das dürfte in ähnlicher Form für E-Scooter, Bubbletea-Läden und Äußerungen des CDU-Parteivorsitzenden gelten.

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