Glosse:Das Streiflicht

Lesezeit: 2 min

Künftig könnten Hunde in Berlins Verwaltung für ein angenehmes Betriebsklima sorgen. Was aber, wenn sich die Arbeitskampfhunde breitmachen?

(SZ) Zu den Lebewesen, die es auch nicht leicht haben, gehört eindeutig der Hund. Schon immer musste er kompensieren, woran es dem Menschen fehlt. Liebe, Anerkennung und natürlich Macht, was jeder bestätigen kann, der beim Joggen im Park schon mal mit einem Hundebesitzer aneinandergeraten ist. Im besten Fall wird einem klar, warum "Herrchen" und "herrschen" im Deutschen fast dasselbe Wort sind, im schlechtesten braucht man eine Tetanus-Spritze. Wofür der Hund selbst nichts kann, genauso wenig wie für den Wunsch seines Herrchens, ihn durch das ständige Rufen seines Namens in "eine Art von Identitätsrausch" zu versetzen, "sodass er anfängt, sich um sich selber zu drehen". Das machte Thomas Mann mit seinem Hund Bauschan, und er fand das so originell, dass er gleich eine ganze Erzählung mit dem Titel "Herr und Hund" schrieb.

Seither rätselt die Literaturwissenschaft, warum Mann diese Geschichte ausgerechnet im Jahr 1918 verfasste, als Europa im Chaos versunken war und es andere Themen gab. Beim Stichwort Chaos ist man schnell in Berlin, der Heimat von 126 000 statistisch erfassten Hunden. Hier setzt sich die Landespolitik gerade dafür ein, dass Menschen, die in der Verwaltung tätig sind, ihren Hund zur Arbeit mitbringen können. Die Regierungsparteien CDU und SPD möchten dazu eine Muster-Dienstvereinbarung erstellen. Dies würde nicht nur das Betriebsklima verbessern, "die Möglichkeit zu Bürohunden im Amt oder im landeseigenen Unternehmen" könnte in Zeiten des Fachkräftemangels auch "den öffentlichen Dienst als Arbeitgeber attraktiver machen", wie es in einem Antrag im Landesparlament heißt. Dass der öffentliche Dienst in Berlin auf jeden Fall attraktiver werden kann, weiß jeder, der schon mal versucht hat, einen Termin auf dem Bürgeramt zu bekommen. Und seit in Berlin Wahlen wiederholt werden mussten, weil die Verwaltung mit dem Organisieren nicht hinterherkam, ist klar, dass man hier jeden ambitionierten Bewerber (Herrchen/Frauchen/divers) gebrauchen kann.

Eine Idee also, so glänzend wie eine Hundeschnauze. Was nicht heißt, dass sie leicht umzusetzen ist. Es muss ja nicht nur per Dienstvereinbarung festgelegt werden, welcher Arbeitsplatz geeignet ist. Es tun sich auch grundsätzliche Fragen auf: Was, wenn der Bürohund die Rangordnung im Rudel nicht akzeptiert und Abteilungsleiter werden will? Wenn der Pudel keine Kernkompetenz hat, das Vier-Dackelaugen-Prinzip gilt oder sich im Team ein Arbeitskampfhund breitmacht? Wenn niemand weiß, wo der Hund begraben liegt, der Bürohund in der Pfanne verrückt wird oder gar alles vor die Hunde geht? Und wieder der Hund kompensieren muss, woran es dem Menschen fehlt, zum Beispiel Freundlichkeit in deutschen Behörden.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: