Globalisierung:Auf die Barrikaden

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Jean Ziegler: Was ist so schlimm am Kapitalismus? Antworten auf die Fragen meiner Enkelin. Aus dem Französischen von Hainer Kober. C. Bertelsmann, München 2019. 128 Seiten, 15 Euro. (Foto: N/A)

Jean Ziegler sucht neue Helfer beim Anti-Kapitalismus-Kampf. Er glaubt sie in der jungen Generation gefunden zu haben und setzt auf radikale Mittel.

Von Robert Probst

Die Französische Revolution ist der Grund allen Übels, aber die Französische Revolution ist auch der Grund allen Hoffens. So steht es geschrieben im neuen Büchlein von Jean Ziegler, einem der wohl bekanntesten Globalisierungskritiker. Eben ist der Schweizer Soziologe 85 Jahre alt geworden - für ihn kein Anlass, es nun ruhiger angehen zu lassen. Im Gegenteil, nichts weniger als den Sturz des Kapitalismus will er erreichen, mit neuen Mitstreitern.

Weil ja viele Menschen gerade ganz gebannt auf die Fridays-for-future-Bewegung schauen, scheint es ganz gut zu passen, dass Ziegler nun versucht, einer neuen Generation von seinem (bislang vergeblichen) Kampf zu erzählen und sie von seiner kompromisslosen Haltung zu überzeugen. Die Fragen seiner fünf eigenen Enkelkinder nahm er zum Anlass, ein Dialogbuch über die Funktionsweise und die Auswüchse des Kapitalismus zu gestalten - was aber dem Verständnis nicht immer förderlich ist. Denn das fiktive Gespräch folgt keiner geordneten Struktur, da wird wild hin und her gesprungen zwischen Karl Marx (und seinen Irrtümern), der Konzernstrategie von Nestlé und den länger zurückliegenden Erlebnissen Zieglers als Sonderberichterstatter der UN für das Recht auf Nahrung in Guatemala. Seine immer wieder kritisierte Bekanntschaft mit sozialistischen Machthabern in aller Welt thematisiert er freilich lieber nicht. Über Zieglers Ökonomieverständnis und dessen Aktualität lässt sich sicher lange streiten, hier nur so viel: China als globaler Akteur spielt in dem Buch praktisch keine Rolle, stattdessen kommt eine Glühbirne vor.

Die Botschaft dafür ist umso klarer, drei Zitate reichen dafür aus: "Ich bin ein Feind des Kapitalismus. Ich bekämpfe ihn." "Das kapitalistische System lässt sich nicht schrittweise und friedlich reformieren. Wir müssen den Oligarchen die Arme brechen, ihre Macht zerschlagen." "Daher hat jeder Mensch um seiner selbst willen die Pflicht zur Revolte."

Nicht weniger als ein Aufruf zur gewaltsamen Revolution ist hier zu lesen, vielen Lesern gefällt das offenkundig, das Buch verkauft sich - wie alles von Ziegler - sehr gut. Aber was kommt danach? Am 14. Juli 1789 hätten die Menschen, die die Bastille erstürmten, auch kein fertiges Konzept dabeigehabt, schreibt Ziegler, der auch für sich bekennt: "Es gibt kein Programm."

Ein paar Jahre später aber, so betont Ziegler an einer anderen Stelle, hätten die Jakobiner in Paris einen schlimmen Fehler gemacht. Die durch Robespierre betriebene "Heiligsprechung des Eigentums" sei zur Grundlage der kapitalistischen Ausbeutung geworden. Und die habe zu "jener Katastrophe geführt, unter der wir - auf schreckliche Weise - heute leiden". Eine Revolte also mit schlimmen Folgen! Womöglich ein Grund zum kritischen Nachfragen? Nicht bei Ziegler.

© SZ vom 20.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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