Die Spitze der Unionsfraktion kommt wegen ihres Kurswechsels im Umgang mit eingetragenen Lebenspartnerschaften zunehmend in Bedrängnis. Die Führung versuchte deshalb am Montag, den Kritikern entgegenzukommen. Nach einer Sitzung des geschäftsführenden Fraktionsvorstands ließ sie mitteilen, die Gleichstellung mit der Ehe würde "in Ruhe geprüft". Es werde keine "übereilten Entscheidungen geben". Man wolle das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Adoptionsrecht "erst einmal genau analysieren". Über Folgerungen werde "zu gegebener Zeit befunden".
Auch CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe versuchte, die Wogen zu glätten. Er sagte der Süddeutschen Zeitung, die CDU habe "auf ihrem letzten Parteitag nach intensiver Diskussion den Beschluss gefasst, an der besonderen steuerlichen Förderung der Ehe festzuhalten - dieser Beschluss gilt". Jetzt gebe "es für einen Teilbereich des Adoptionsrechtes ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts - dieses muss umgesetzt werden". Es sei "zudem richtig, zu prüfen, ob nach der bisherigen Verfassungsrechtsprechung weitere Schritte geboten sind".
Es wird erwartet, dass das Bundesverfassungsgericht noch in diesem Jahr die Lebenspartnerschaften sowohl bei der Einkommensteuer als auch beim Adoptionsrecht mit der Ehe gleichstellt. Die Führung der Unionsfraktion will dem zuvorkommen und die Gleichstellung selbst regeln.
Die CSU ist empört
Vor allem die CSU ist über den plötzlichen Kurswechsel, von dem auch viele führende Unionspolitiker am Samstag aus der Zeitung erfahren haben, empört. "Die CSU wird immer dafür eintreten, dass Ehe und Familie besonders gefördert werden", sagte Parteichef Horst Seehofer der SZ. Er zeigte sich von den anstehenden Urteilen der Karlsruher Richter unbeeindruckt. Die CSU bleibe bei ihrer Linie, "wie auch immer die Richter entscheiden", sagte er. "Wir hatten bisher gemeinschaftlich mit der CDU eine ganz klare Verfahrensregel, dass wir zu den strittigen Themen Verfassungsgerichtsurteile abwarten. Ich denke, wir sind gut beraten, diesen Weg weiterhin einzuhalten." Seehofer sagte, er sehe deshalb "keine Handlungsmöglichkeit, bevor wir nicht das Bundesverfassungsgerichtsurteil kennen". Er "hoffe, dass das Verfassungsgericht die besondere Stellung von Ehe und Familie für die Zukunft einer Gesellschaft würdigt".
Für die CSU kommt die Diskussion zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Im September wird nicht nur ein neuer Bundestag gewählt, in Bayern stimmen die Bürger auch über einen neuen Landtag ab. Zum Kern der CSU-Wahlkampfstrategie gehört es, Stammwähler zu mobilisieren. Eine Öffnung beim Thema Lebenspartnerschaften passt der CSU deshalb nicht ins Konzept.
An diesem Dienstag wird die Bundestagsfraktion der Union zum ersten Mal über das Thema beraten.