Gleichberechtigung:Im Lummerland

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Frauen haben sich in Deutschland eine Menge erkämpft, Kitas sind ausgebaut worden, das Elterngeld wurde erhöht. Doch das ändert nichts daran, dass es sehr prekär ist, in Deutschland eine Mutter zu sein.

Von Constanze von Bullion

Wer zahlt, schafft an - dieser Spruch aus der Mottenkiste deutscher Volksweisheiten gilt nicht nur in der Wirtschaft, wo ja der Arbeitgeber bestimmt, wer weiterkommt im Betrieb und wer nicht. Auch in Partnerschaft und Familie gewinnt derjenige, der mehr Geld heimträgt, nicht selten mehr Einfluss auf zentrale Zukunftsentscheidungen, auch wenn das in einer Liebesbeziehung natürlich niemand zugeben will, jedenfalls in guten Zeiten. Was macht es schon, wenn einer mehr Knete hat, im Zweifel der Mann? Was interessieren schon materielle Dinge, öde Kontoauszüge und Rentenbescheide? Und sind die Jahre mit Kindern nicht viel zu kostbar, um Zeit im Büro zu verschwenden?

So denken Millionen junge Paare in Deutschland, wenn sich Nachwuchs ankündigt - und die allermeisten von ihnen entscheiden sich dann im allerbesten Einvernehmen für ein Familienmodell, das die Frau und künftige Mutter materiell krass benachteiligen wird. Nach Angaben der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die europäische Länder und die USA daraufhin untersucht hat, wie die Aufgaben in Beruf und Familie verteilt werden, belegt Deutschland den allerletzten Platz beim Beitrag der Mütter zum Familieneinkommen. Frauen zwischen 25 und 45 Jahren mit mindestens einem Kind erwirtschaften in Deutschland demnach nur 22,6 Prozent des Familieneinkommens, also nicht einmal ein Viertel, während Väter drei Viertel heimtragen. Es dominiert das Modell Vati-macht-das-schon.

In Portugal tragen Mütter mehr zum Familieneinkommen bei

Nur mal zum Vergleich: Im katholischen Portugal tragen Mütter immerhin 39 Prozent des Familieneinkommens bei, in Dänemark 42 Prozent, und selbst in der konservativen Schweiz geht es paritätischer zu als in Deutschland. Zur Ehrenrettung des weiblichen Geschlechts lässt sich nur sagen, dass die Erwerbsquote deutscher Frauen in den letzten 15 Jahren so steil angestiegen ist wie sonst nur in Chile, um elf Prozentpunkte, auf 70 Prozent. Das war's dann aber auch. Der finanzielle Beitrag deutscher Mütter zur Familie bleibt beschämend gering, weil jede zweite in Teilzeit verharrt. Mütter brauchen sich also nicht zu wundern, dass die Gesellschaft es ihnen heimzahlt, so nach dem Motto: Geht doch. Jeder fünfte Westdeutsche meint immer noch, Mütter von Kindern bis zum Schulalter sollten nicht arbeiten gehen.

Deutschland ist das Lummerland der Gleichberechtigung, ein verschlafenes Eiland, trotz Kita-Ausbau, trotz Elterngeld, trotz allerlei emanzipatorischer Anläufe. Das Land aber wird aufwachen müssen und mit ihm seine Mütter, die die Hemdenpflege zu Hause jetzt mal einstellen und eine Studie der Hanns-Böckler-Stiftung lesen sollten. Da steht drin, dass Frauen im Westen Deutschlands im Schnitt 47 Prozent weniger Rente zu erwarten haben als Männer, im Osten 23 Prozent weniger. Abgerechnet wird zum Schluss, wenn die Kinder groß sind und Partner bisweilen anderswo. Die Rechnung für so ein Mutterleben kann erbarmungslos sein.

© SZ vom 21.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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