Kriminalstatistik:Zuhause - ein Ort des Schreckens?

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Häusliche Gewalt: Viele Menschen trauen sich nicht, Anzeige zu erstatten. (Foto: Maurizio Gambarini/picture alliance/dpa)

Die Zahl der Gewalttaten in Partnerschaften ist 2020 gestiegen. Ob das auch an Corona-Lockdowns liegt, ist laut Bundeskriminalamt unsicher. Das Dunkelfeld sei "erheblich".

Von Henrike Roßbach, Berlin

Im vergangenen Jahr hat die Polizei in Deutschland 146 655 Fälle von "Partnerschaftsgewalt" registriert, knapp fünf Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Auch die Zahl der Opfer stieg um 4,4 Prozent auf 148 031. Das geht aus der neuen Auswertung der Polizeilichen Kriminalstatistik hervor, die die geschäftsführende Bundesfamilienministerin Christine Lambrecht (SPD) und der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Holger Münch, am Dienstag in Berlin vorgestellt haben.

Der Trend der vergangenen Jahre setze sich fort, sagte Münch mit Blick auf die gestiegenen Zahlen. Insgesamt machen die Opfer von Partnerschaftsgewalt - also Gewalt durch den Ehepartner, Lebensgefährten oder Ex-Partner - fast ein Fünftel aller in der Kriminalstatistik erfassten Opfer aus. Münch betonte, dass die Zahlen nur das "Hellfeld" abbildeten. Wegen der großen Hemmschwelle, gegen den eigenen Partner vorzugehen, geht die Polizei von einem "erheblichen" Dunkelfeld unerkannter Taten aus.

Der Statistik nach waren 80,5 Prozent der Opfer weiblich, 79,1 Prozent der Tatverdächtigen männlich. Zwei Drittel der Tatverdächtigen waren Deutsche, ein Drittel Ausländer. Lambrecht sagte bei der Vorstellung der Zahlen, dass alleine während dieser einstündigen Pressekonferenz 13 Frauen Gewalt erführen. "Jeden Tag muss man damit rechnen, dass eine Frau zumindest einem Tötungsversuch zum Opfer fällt", jeden dritten Tag sterbe eine Frau durch einen Femizid.

Zur Partnerschaftsgewalt zählt das BKA Mord, Totschlag und Körperverletzung (mit 61,6 Prozent machte die vorsätzliche einfache Körperverletzung den größten Teil aller Taten aus); sexuelle Übergriffe, sexuelle Nötigung und Vergewaltigung; Bedrohung, Stalking, Nötigung; Freiheitsberaubung, Zuhälterei und Zwangsprostitution. Laut Statistik kamen 2020 insgesamt 139 Frauen und 30 Männer durch Partnerschaftsgewalt ums Leben.

Mit Blick auf das Corona-Jahr 2020 kann das BKA keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen Lockdown und Partnerschaftsgewalt feststellen. Während im ersten Lockdown im Frühjahr 2020 mehr Fälle erfasst wurden als zuvor, waren es im zweiten Lockdown im Herbst weniger. Sie gingen aber "von einem hohen Dunkelfeld aus", sagte Münch und verwies darauf, dass "Psychoisolation und Stressfaktoren in der Pandemie", wie etwa Kurzarbeit oder ein Verlust des Arbeitsplatzes, Gewalt begünstigten.

Lambrecht warnte, die Zahlen seien kein Grund zur Entwarnung, was die Folgen von Corona für das Ausmaß an Partnerschaftsgewalt angeht. "Wir brauchen mehr Informationen", das Dunkelfeld müsse besser erforscht werden. Sie forderte auch eine "Sensibilisierung an den Gerichten" mit Blick auf die Hintergründe von Femiziden. Ein "übersteigerter Besitzgedanke" etwa als Rechtfertigung für eine Gewalttat in der Partnerschaft müsse als das benannt werden, was er sei, nämlich "ein niedriger Beweggrund".

Beim Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" hat die Pandemie derweil deutlichere Spuren hinterlassen als in der Statistik des BKA. Petra Söchting, die Leiterin des Hilfetelefons, sprach am Dienstag von 51 400 Beratungen im vergangenen Jahr, 15 Prozent mehr als 2019. Die Zahl der Beratungen speziell zu Gewalt in Partnerschaften sei sogar um 20 Prozent gestiegen. Im ersten Lockdown habe es einen deutlichen Anstieg gegeben, seither lägen die Anfragen auf durchgehend hohem Niveau.

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