Gesundheitspolitik: Kompromiss:Rösler bastelt weniger Netto vom Brutto zurecht

Höhere Beiträge, ein Steuerzuschuss in Milliardenhöhe und nach oben offene Zusatzbeiträge: Gesundheitsminister Rösler präsentiert einen Kompromiss zur Sanierung des krankenden Gesundheitsetats. Die Opposition diagnostiziert akutes Politikversagen - und fordert Rösler zum Rücktritt auf.

Ein schwerer Gang für Gesundheitsminister Philipp Rösler. Monatelang hat er um seine Gesundheitsreform gerungen. Nun muss er vor die Presse treten und einen Kompromiss als Erfolg verkaufen, den die Opposition wenig später als Steilvorlage aufnimmt.

Pk Rösler

Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler muss vor der Bundespressekonferenz einen Kompromiss verkaufen, der kaum mehr seine Handschrift trägt.

(Foto: dpa)

Rösler erklärt erst einmal nüchtern."Das zu erwartende Defizit in Höhe von elf Milliarden Euro für das Jahr 2011 wird ausgeglichen werden." Diese Minimalanforderung musste die Koalition erfüllen. Dann fährt Rösler fort: "Gleichzeitig werden wir den Einstieg in eine dauerhaft solide Finanzierung des Gesundheitssystems auch schaffen." Eine Erfolgsmeldung klingt anders.

Zu den Fakten: Die gesetzlich Krankenversicherten in Deutschland müssen sich auf höhere Beiträge einstellen. Der Krankenkassenbeitrag soll 2011 wieder auf 15,5 Prozent steigen. Für die Krankenversicherten heißt das: weniger Netto vom Brutto.

Rösler bastelt weniger Netto vom Brutto zurecht

Auch der Arbeitgeberbeitrag soll steigen - auf 7,3 Prozent. Für die Arbeitgeber heißt das: Arbeit wird teurer. Auf diesem Niveau soll der Beitrag allerdings festgeschrieben werden. Unvermeidbare Ausgabensteigerungen der Krankenversicherungen würden durch Zusatzbeiträge ausgeglichen, sagte Rösler.

Das Einsparvolumen bei Krankenkassen, Krankenhäusern, Ärzten sowie Pharmaindustrie soll sich im Jahr 2011 auf etwa 3,5 Milliarden Euro belaufen. Der größte Teil davon stammt aus dem bereits vereinbarten Sparpaket für die Pharmaindustrie. Im Folgejahr steige die Summe auf etwa 4 Milliarden Euro. Der Anteil der Krankenkassen soll sich auf 300 Millionen Euro, der der Krankenhäuser auf 500 Millionen Euro belaufen.

Im kommenden Jahr soll das verbleibende Loch im Gesundheitsetat durch einen Steuerzuschuss in Höhe von zwei Milliarden Euro geschlossen werden.Damit ist auch klar: Die schwarz-gelbe Koalition will das Defizit bei den Krankenkassen vor allem auf Kosten der Beitrags- und Steuerzahler lösen.

Künftig sollen Ausgabensteigerungen der gesetzlichen Krankenkassen durch Zusatzbeiträge ausgeglichen werden. Die Höhe dieses Beitrags können die Kassen künftig selbst bestimmen. Die bisherige Deckelung der Zusatzbeiträge auf ein Prozent des beitragspflichtigen Einkommens wird abgeschafft. In diesem Punkt konnte sich Rösler immerhin noch gegen CSU-Chef Horst Seehofer, seinen größten Widersacher in der Koalition, durchsetzen.

Die Zusatzbeiträge sollen künftig einkommensunabhängig erhoben werden. Damit sollen die Kassen mehr finanzielle Autonomie erhalten und der Wettbewerb gefördert werden. Bei den Zusatzbeiträgen soll ein Sozialausgleich greifen, der aus Steuermitteln finanziert wird. In diesem Fall komme eine "Überforderungsklausel" von zwei Prozent des beitragspflichtigen Einkommens zum Tragen, so Rösler.

Für SPD und Linkspartei ist der Kompromiss eine Steilvorlage. Die Oppositionsparteien werfen Rösler und der ganzen Koalition vor, mit seiner Gesundheitspolitik gescheitert zu sein. Die Entscheidung, den Arbeitnehmeranteil für die Krankenkassenbeiträge um 0,3 Prozentpunkte anzuheben, bedeute unter dem Strich eine Belastung von mehr als zehn Prozent für die Arbeitnehmer, rechnet Linken-Chef Klaus Ernst vor. Auf den Beitragszuschlag käme noch einmal ein Zusatzbeitrag von zwei Prozent, den die Kassen fordern könnten. Außen vor blieben dabei Arbeitgeber und Besserverdiener. "Man stellt fest, Gesundheitspolitik können die wirklich nicht."

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier warf der Bundesregierung einen Bruch des zentralen Wahlversprechens vor. Statt mehr Netto vom Brutto heiße es nun weniger Netto vom Brutto. Zudem sei der Bundesgesundheitsminister grandios gescheitert. Er sei mit Vorschusslorbeeren gestartet, er habe "große Ankündigungen an den Beginn seiner Amtszeit gesetzt". Steinmeier zufolge steht Rösler "jetzt vor einem gesundheitspolitischen Scherbenhaufen". "Die Koalition wird viel Mühe haben, das in der Sommerpause zusammenzukehren."

Dann setzt Steinmeier noch einen drauf und fordert Rösler zum Rücktritt auf: Der FDP-Politiker habe selbst erklärt, bei einem Scheitern der Gesundheitsreform wolle ihn niemand mehr als Minister haben, erinnert Steinmeier. Dieser Fall sei jetzt eingetreten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: