Geständnis von Oskar Gröning:Neuer Akzent in der NS-Aufarbeitung

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Der 93-jährige Oskar Gröning bekennt sich im Auschwitz-Prozess zu seiner moralischen Mitschuld. Auch wegen seiner Bitte um Vergebung ist es wichtig, dass dieses Verfahren geführt wird.

Kommentar von Heribert Prantl

In allen NS-Verfahren hoffte man auf ein menschliches Wort der Angeklagten. "Die Welt würde aufatmen", sagte vor fünfzig Jahren Fritz Bauer, der Ankläger in den Auschwitz-Prozessen. Doch der Generalstaatsanwalt wartete damals vergeblich auf ein Geständnis. Und später war es nicht anders: Kein Geständnis, keine Reue, keine Bitte um Verzeihung. Es war so, und es blieb so: Die NS-Schergen von einst machten vor Gericht entweder keine Aussage, erklärten sich für unschuldig oder beriefen sich auf einen Befehlsnotstand.

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Von Peter Burghardt

Albert Speer, Hitlers Architekt und Minister für Rüstung und Kriegsproduktion, hat sich seinerzeit vor dem Internationalen Militärtribunal in Nürnberg zu einer abstrakten Verantwortung bekannt und sich auf die Formel festgelegt, er habe nichts Genaues gewusst und vieles nur geahnt. Er wollte der gute Nazi sein, und er entging mit seinem abstrakten Bekenntnis dem Galgen.

Oskar Gröning, der 93-jährige Angeklagte im Lüneburger Prozess wegen Beihilfe zum Mord in dreihunderttausend Fällen, hält es anders. Die Welt erlebt einen Angeklagten, der immerhin seine moralische Mitschuld am Massenmorden in Auschwitz "mit Demut und Reue" bekennt. Das ist ein neuer Akzent in der unguten Geschichte der juristischen Aufarbeitung der NS-Verbrechen.

Diese Geschichte der NS-Prozesse ist eine furchtbare, eine elendige Geschichte, geprägt von einer widerstrebenden Justiz, von "Streichelstrafen für Mörder-Nazis" (so Ernst Bloch) und von der Faustformel "ein Toter gleich zehn Minuten Gefängnis" (so einst die darüber verzweifelnde Oberstaatsanwältin Barbara Just-Dahlmann). Und viele Anklagen wurden so lange verdrängt und verschoben, bis sie an Beweisnot scheiterten.

Der Angeklagte Gröning stellt sich im Greisenalter vor Gericht seiner Verantwortung. Auch wegen dieser Schulderklärung und wegen seiner Bitte um Vergebung ist es wichtig, richtig und gut, dass dieser Prozess so spät noch geführt wird.

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