Geschichte:Betroffene von DDR-Unrecht melden sich teils mit der Rente

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Peter Wurschi, Landesbeauftragter zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, sitzt im Plenarsaal des Thüringer Landtags. (Foto: Martin Schutt/dpa/Archivbild)

Seit 30 Jahren gibt es in Thüringen einen Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Manche Betroffene von DDR-Unrecht melden sich aber erst jetzt, da die Rente naht.

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Erfurt (dpa/th) - 30 Jahre nach Schaffung seines Amtes gehen beim Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur noch mehr als 1000 Anfragen jährlich ein. Mit ihren Anliegen meldeten sich auch immer mehr Menschen aus westdeutschen Bundesländern, sagte der Landesbeauftragte Peter Wurschi der Deutschen Presse-Agentur in Erfurt. Es gebe allein Zehntausende, die als politische Häftlinge von der BRD freigekauft worden seien - und so schon vor der Wende in den Westen gelangten.

Aber auch andere Betroffene, die inzwischen in westdeutschen Bundesländern lebten, meldeten sich noch. „Die Babyboomer-Generation geht jetzt in Rente und der ein oder andere hat bei der Rente ein oder zwei Jahre eine Fehlzeit und fängt jetzt damit an, sich damit zu beschäftigen“, sagte Wurschi. So stellten manche erst im Rentenalter einen Antrag auf Rehabilitierung, mit der Rentenlücken ausgeglichen und Ansprüche auf bestimmte Sozialleistungen gestellt werden könnten.

Im Thüringer Landtag war am Donnerstag anlässlich des 30-jährigen Bestehens des Landesbeauftragten eine Festveranstaltung geplant. „Demokratie kann nur im Bewusstsein für die Vergangenheit funktionieren“, sagte Landtagspräsidentin Birgit Pommer vorab. Der Landesbeauftragte leiste dazu einen entscheidenden Beitrag. „Indem er berät, hilft er Betroffenen einst fremdbestimmtes Leben zurückzuerlangen und Gerechtigkeit zu finden. Indem er erinnert, leistet er einen großen Beitrag für ein friedliches Miteinander“, so Pommer.

Wurschi, der seit 2018 Landesbeauftragter in Thüringen ist, sagte, die Zahl der jährlichen Anfragen zeige, dass es weiterhin einen großen Beratungsbedarf gebe.

Zugleich warnte er vor einer „Verschönerung der Diktatur“. Dies sei ein Auftrag an die Landesbeauftragten, mit „faktengesättigten Wissen“ über die Vergangenheit aufzuklären. „Wir müssen konkret sein. Die Zeitzeugen helfen, die Quellen helfen“, sagte Wurschi. Die vielen Quellen in den Archiven müssten mit der Lebenswirklichkeit von heute in Kontakt gebracht werden, forderte er. Dies könne zu einem Diskurs einladen, bei dem man feststelle, „dass andere Möglichkeiten zur Verfügung stehen als früher, so dass diese Lüge, man würde in einer Diktatur leben, sich von selbst erhellt.“

© dpa-infocom, dpa:231116-99-964884/2

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