Geheimdienste:Obama bemüht sich um Schadensbegrenzung

Washington/Berlin (dpa) - Angesichts der internationalen Empörung über den Lauschangriff auf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist US-Präsident Barack Obama um Schadensbegrenzung bemüht.

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Washington/Berlin (dpa) - Angesichts der internationalen Empörung über den Lauschangriff auf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist US-Präsident Barack Obama um Schadensbegrenzung bemüht.

Nach Informationen der "New York Times" ist Obama bereit, auf die Bespitzelung verbündeter Staats- und Regierungschefs künftig zu verzichten. Die Abhör-Affäre um das Handy der Kanzlerin entwickelt sich zunehmend zu einer Belastung für die deutsch-amerikanischen Beziehungen. Noch diese Woche soll es dazu in Washington direkte Gespräche zwischen beiden Regierungen geben.

Die "New York Times" (Dienstag) berichtete unter Berufung auf amerikanische Abgeordnete und Regierungsbeamte, dass Obama die Bespitzelung von Partnern künftig grundsätzlich untersagen will. Dies würde einen grundlegenden Wandel für die Arbeit des US-Geheimdienstes NSA bedeuten. Die Überwachung von Merkels Handy wurde nach anderen Berichten bereits in diesem Sommer gestoppt. Unklar ist weiterhin, wann Obama selbst von der Bespitzelung erfahren hat.

Die CDU-Vorsitzende soll bereits seit 2002 vom US-Geheimdienst NSA abgehört worden sein. Damals hieß der US-Präsident noch George W. Bush. Die Aktion soll auch aus der US-Botschaft in Berlin betrieben worden sein. Der "New York Times" zufolge hatten die NSA-Mitarbeiter in Deutschland nicht nur die Erlaubnis, Daten über die von Merkel angerufenen Nummern zu sammeln - sondern auch, ihre Gespräche abzuhören. Wahrscheinlich seien auch Gespräche aufgezeichnet worden.

Der Geheimdienst-Ausschuss im US-Senat kündigte nun eine "umfassende Überprüfung" an. Die Ausschussvorsitzende Dianne Feinstein sagte: "Ich glaube nicht, dass die Vereinigten Staaten die Anrufe oder E-Mails von befreundeten Präsidenten und Premierministern sammeln sollten." CDU/CSU-Fraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer lobte die Initiative. Zugleich bot er dem US-Ausschuss eine enge Zusammenarbeit mit dem Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestags an.

Am 18. November wird sich der Bundestag erstmals mit den Vorwürfen beschäftigen. Möglicherweise wird es dazu auch einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss geben. Noch in dieser Woche werden Vertreter des Kanzleramts in Washington erwartet, darunter Geheimdienst-Koordinator Günter Heiß. Nächste Woche sollen dann Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen und BND-Präsident Gerhard Schindler in die USA reisen. Direkte Kontakte auf Ministerebene sind bislang nicht geplant.

Deutschlands amtierender Außenminister Guido Westerwelle (FDP) verlangte in der "Bild"-Zeitung von den USA, Zweifel an der Partnerschaft auszuräumen. Der amtierende Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) forderte im ZDF eine Untersuchung der NSA-Ausspähaffäre: "Die Schuldigen müssen gefunden und zur Rechenschaft gezogen werden." Dies könnte auch eine Ausweisung aus Deutschland bedeuten: "Es wäre nicht das erste Mal, dass Diplomaten des Landes verwiesen würden." Friedrich warnte zugleich davor, die guten Beziehungen zu den USA aufs Spiel zu setzen.

Die Grünen kritisierten den Innenminister: "Das Merkel-Handy ist lediglich die Spitze des Eisbergs, da die Ausspähung alle Bürger gleichermaßen trifft. Doch bei der Totalüberwachung aller Bürger hat Friedrich ein unklares Verhältnis zu unserer Verfassung, was seinen Eiertanz erklärt", sagte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck zu "Handelsblatt Online".

Obama bekräftigte im amerikanischen TV-Sender Fusion nochmals, dass die Tätigkeit der US-Geheimdienste auf den Prüfstand kommt. Spätestens Ende des Jahres soll dazu ein Bericht vorliegen. Die Affäre belastet auch die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen Europa und den USA. Die Europäer stellen zudem das Swift-Abkommen infrage, mit dem US-Fahnder die Konten von Terrorverdächtigen in Europa einsehen können.

Der Enthüllungsjournalist Glenn Greenwald widersprach der Behauptung des Weißen Hauses, die NSA-Aktivitäten dienten dem Anti-Terror-Kampf. "Nichts hiervon hat mit Terrorismus zu tun", sagte er im TV-Sender CNN. "Ist Angela Merkel ein Terrorist? Hier geht es eindeutig um politische Macht und Wirtschaftsspionage." Dagegen verteidigte der republikanische US-Abgeordnete Peter King die NSA. "Tatsache ist, dass die NSA zum Schutz deutscher Menschenleben mehr unternommen hat als die deutsche Bundeswehr seit dem Zweiten Weltkrieg."

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