Vor siebzig Jahren wurden die Häftlinge der Konzentrationslager befreit. Sie wurden befreit von ihren Peinigern, aber nicht von dem Grauen, das sie erlebt hatten. Man wünschte, Deutschland sei damals auch vom Rassismus befreit worden, für alle Zeiten. Man wünschte, dass sich Deutschland in den sieben Jahrzehnten seitdem selbst vollends befreit hätte vom Fremdenhass und Nazismus. Es ist leider nicht so.
Der alte Rassismus ist immer wieder jung; er flammt immer wieder auf - nicht nur in Tröglitz. Der Bundesaußenminister sorgt sich deshalb um das deutsche Ansehen. Es ist schon wahr: Deutschland wird, auch siebzig Jahre nach Hitler, scharf beobachtet.
Rassisten hier gelten als bedrohlicher als anderswo in der EU. Sorge muss aber weniger der deutschen Reputation, als den Menschen in Drangsal und Not gelten. Da sind die Flüchtlinge, die es mit knappster Not nach Deutschland geschafft haben, und denen dann zu oft giftige Ablehnung entgegenschlägt.
Und da sind die Flüchtlinge, denen die EU-Politik die mörderische Route über das Mittelmeer zumutet - im Wissen, dass Tausende diese nasse Flucht nicht überleben. Ist ein Totschlag durch unterlassene Hilfe eigentlich so viel weniger schlimm als der durch Brandstiftung? Die deutsche und die EU-Politik waschen vergeblich die Hände in Unschuld: In dem Wasser, in dem Flüchtlinge ertrinken, gibt es keine Unschuld.