G-8-Gipfel in L'Aquila:Weltmächte im Epizentrum

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Trümmerfrauen statt Showgirls: Silvio Berlusconi holt die Teilnehmer des G-8-Gipfels ins Erdbebengebiet - auch damit sie die Ängste der Aquilaner nachempfinden können. Damit den Mächtigen der Welt nichts zustößt, wird sich ein erfahrener Katastrophenschützer um sie kümmern.

Stefan Ulrich

Genial, doch aberwitzig, so klang die Idee, die Italiens Premier Silvio Berlusconi im April nach dem Erdbeben in den Abruzzen präsentierte: Der G-8-Gipfel, das Jahrestreffen der Weltmächtigen, werde nicht wie geplant in einer Luxusanlage auf Sardinien, sondern im Katastrophengebiet ausgerichtet.

Silvio Berlusconi im April 2009 in L'Aquila. (Foto: Foto: AP)

Trümmerfrauen statt Showgirls, mit diesem Schwenk bewies der Premier in Zeiten der Finanzkrise sein Gespür für Stimmungen. Nur: Würden Obama und Co. in die zerrüttete Abruzzenhauptstadt L'Aquila kommen? Und wie sollte Italien rasch ein so großes Ereignis in einem solchen Chaos organisieren?

Die Antwort heißt Guido Bertolaso. "Dieser G-8-Gipfel wird anders als alle bisherigen", kündigte der Cheforganisator und Leiter des italienischen Katastrophenschutzes nun an. Die Staats- und Regierungschefs der führenden Wirtschaftsnationen könnten sich "im Herzen eines geschundenen Landes" ein Bild von der Lage machen.

Die Mächtigen sollen das Fürchten lernen

Doch wenn die Erde wieder bebt, in den Gipfeltagen vom 8. bis 10. Juli? Umso besser, scheint Bertolaso zu denken. "Es ist wichtig, dass auch die Mächtigen der Erde die Ängste der Aquilaner erleben."

Barack Obama, Angela Merkel und die anderen dürfen aber unbesorgt sein. Sie werden sich in den Abruzzen in guten Händen befinden. Bertolaso, der 59 Jahre alte Sohn eines Kampfpiloten, hat bereits bewiesen, dass Wunder für ihn möglich sind. Er bewältigte bravourös den Massenansturm der Pilger beim Tod von Johannes Paul II. in Rom und die Müllkrise in Neapel. G-8-Gipfel und ähnliche Katastrophen können ihn kaum schrecken. Bertolaso verspricht, für alle Gipfel-Teilnehmer sei bestens gesorgt.

Die Führer der G8 und anderer Staaten wie China, Brasilien, Ägypten und Südkorea, die je nach Thema mitberaten dürfen, würden auf dem Gelände einer Unteroffiziersschule der Finanzpolizei bei L'Aquila untergebracht. Alle G-8-Chefs hätten zugesagt, auf dem Kasernengelände zu schlafen, sogar US-Präsident Obama. "Wir haben ein nettes Zimmer für ihn vorbereitet. Außerdem wollen wir ihm einen Basketball-Platz einrichten, weil er diesen Sport so mag."

Polizeischule statt Luxushotel

Auch etliche Begleiter der Staats- und Regierungschefs werden in der Polizeischule einquartiert. Die Übrigen sollen in Hotels an der Adria unterkommen. Bei allem Aufwand gilt für Bertolaso: "Für mich haben die Erdbebenopfer Priorität, auch vor dem US-Präsidenten."

Der Gipfel solle die Aufmerksamkeit der Welt auf das Leid der 54000 Menschen lenken, die ihre Häuser und Wohnungen verloren haben. Betten und Schränke für die Gipfelgäste würden anschließend den Erdbebenopfern geschenkt. Außerdem werde das G-8-Treffen die Wirtschaft beleben. So wird in der Polizeischule strikt abruzzesisch gekocht. Das klingt schlimmer als es ist. Die Abruzzen-Küche ist reich an Traditionellem - wie den dicken Nudeln namens "Pfaffenwürger".

Mehr Sorgen als die Verpflegung dürfte den Gästen die Erdbebenlage bereiten. Am Montagabend gab es wieder einen starken Stoß. Viele Aquilaner übernachteten im Freien. Bertolaso versichert jedoch, die Polizeischule halte stärksten Beben stand. Für den Fall der Fälle sollen Helikopter bereitstehen, um Berlusconi und seine Gäste auszufliegen.

So scheint alles bestens vorbereitet zu sein, wenn da nicht eine Unbekannte wäre. Berlusconi drohen pünktlich zum Gipfel weitere Enthüllungen über sein ausschweifendes Privatleben. Sie könnten Beben auslösen, gegen die selbst Bertolaso machtlos ist.

© SZ vom 25.06.2009/liv - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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