Fußball:Pfiff aus dem Raumschiff

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In der Bundesliga startet die erste Saison mit Videobeweis.

Von Sebastian Fischer

Fußball sei eine einfache Angelegenheit, heißt es, doch dafür wird um das Spiel viel zu erbittert gestritten. Tor? Elfmeter? Abseits? Platzverweis? Auf diese schwierigen Fragen mussten bislang die Schiedsrichter auf dem Platz die Antwort finden; sie sahen sich Spott und Beschimpfungen ausgesetzt, wenn sie falsch lagen. Nun, da an diesem Freitag die Saison beginnt, soll es für sie einfacher werden: Der Videobeweis wird eingeführt. Die Schiedsrichter können falsche Entscheidungen nach Ansicht der Szenen während des Spiels korrigieren. Doch das ist ziemlich kompliziert.

Im ersten Untergeschoss des Cologne Broadcasting Centers, eines Bürokomplexes nahe des Rheinufers und der Kölner Messe, hat der Ligaverband DFL das sogenannte Video-Assist-Center eingerichtet. Die neue, allwissende Schaltzentrale des deutschen Fußballs ist ein 12x13 Meter großer Raum mit grauem Teppich, weißen Wänden und sechs Arbeitsstationen, ausgestattet mit je fünf Monitoren. Die Nachrichtenagentur sid nannte das Zimmer voller Ehrfurcht ein "Raumschiff". Am Samstag, wenn fünf Bundesligaspiele ab 15.30 Uhr parallel laufen, sitzen dort fünf zu Video-Assistenten weitergebildete Bundesliga-Schiedsrichter, zwei Operatoren pro Spiel und ein Supervisor. 1,8 Millionen Euro hat die Ausstattung gekostet, zwölf Monate dauerte die Planung.

Sollte im Auftaktspiel zwischen dem FC Bayern und Bayer Leverkusen der Schiedsrichter Tobias Stieler zum Beispiel eine Strafraum-Schwalbe des für dieses Stilmittel bekannten Niederländers Arjen Robben übersehen, wäre die Zentrale in Köln gefordert, aus mehr als 500 Kilometern Entfernung zu urteilen.

In Köln wird Jochen Drees sitzen, selbst 143 Mal Bundesligaschiedsrichter. Sollte ihm ein Fehler seines Kollegen auffallen, darf er in vier Fällen eingreifen: nach einem Tor, bei Strafstoßsituationen, bei Platzverweisen durch eine rote Karte und bei der Verwechslung von Spielern. Fällt dagegen Robben irgendwo an der Seitenlinie absichtlich um und Schiedsrichter Stieler darauf herein, darf der Video-Assistent Drees jedoch nichts tun.

Sieht Drees einen Fehler und entscheidet, in einem der genannten vier Fälle zu handeln, benachrichtigt er Stieler auf dessen Headset, woraufhin dieser im Stadion die Hand ans Ohr legt, um eine Spielunterbrechung zu signalisieren. Anschließend hat er die Option, die sogenannte Review Area auf Höhe der Mittellinie zu betreten, um sich dort auf einem Bildschirm die Szene selbst anzuschauen - und gegebenenfalls eine neue Entscheidung zu treffen. Um diese Situation anzuzeigen, soll er mit den Fingerspitzen die Umrisse eines Monitors in die Luft zeichnen. Macht dies ein Spieler, um den Videobeweis einzufordern, sieht er übrigens die gelbe Karte.

Die DFL will an den ersten beiden Spieltagen den Videobeweis nicht wie ursprünglich geplant im Stadion zeigen, "aufgrund der hohen Komplexität". Komplex ist die Sache auch, weil es wie bei allen Innovationen Traditionalisten gibt, die sich dagegen wehren. Zu ihnen gehört Uli Hoeneß, der Präsident des FC Bayern. Der sagte neulich, er werde die Diskussionen am Arbeitsplatz vermissen, und: "Ich bin nach wie vor der Meinung, dass das Blödsinn ist." Allerdings schreibt Hoeneß auch im Jahr 2017 immer noch keine E-Mails.

© SZ vom 18.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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