Früherer US-Verteidigungsminister rechnet ab:Rumsfelds Wahrheiten

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Fehler machen immer nur die anderen: Bei einem Kongress junger Republikaner lässt sich Donald Rumsfeld feiern. Der Irak-Krieg war richtig, in Abu Ghraib gab es keine Folter, sondern nur schlecht ausgebildete Soldaten - und Bush senior war ein Weichei.

Reymer Klüver

Eigentlich war es so wie immer. Sein alter Kumpel Dick Cheney war gekommen. George W. Bushs düsterer Vize ist wegen seines Herzleidens schlanker, aber nicht weniger schnarrend als sonst. Und wie früher gab es auch diesmal ein paar Störer, die mit Gebrüll Aufmerksamkeit auf sich lenken wollten, aber von der Masse im Saal mit lauten "USA"-Rufen niedergehalten wurden.

Der ehemalige Vizepräsident Dick Cheney (l.) kommt in Rumsfelds Memorien sehr gut weg, neben Bush junior und Ex-Präsident Gerald Ford. Bush senoir zählt Rumsfeld hingegen zu den "Weicheiern", genau wie Colin Powell und Condoleezza Rice. (Foto: REUTERS)

So etwas macht Donald Rumsfeld, Bushs Verteidigungsminister und Architekten der US-Invasion im Irak, ohnehin nichts aus. Er hat nie den Eindruck entstehen lassen, dass er die öffentliche Kontroverse gescheut hätte. Im Gegenteil schien er sich immer am wohlsten zu fühlen, wenn es um ihn herum blitzte und krachte und er mit gezielten Sottisen Linke und andere Gegner gegen sich aufbringen konnte. So ist es auch an diesem Donnerstag, als der 78-Jährige bei der CPAC-Konferenz in Washington, dem alljährlichen Treffen Tausender vornehmlich junger Republikaner, eine Auszeichnung für sein politisches Lebenswerk erhält. "Verteidiger der Verfassung" darf er sich jetzt nennen.

Anlass für die Ehrung sind seine Lebenserinnerungen, die vor ein paar Tagen auf den Markt gekommen sind: "Known and Unknown" betitelt - eine Anspielung auf das vermutlich bekannteste Apercu des Mannes, der für messerscharfe Formulierungen bekannt wurde.

Zwischen "bekannten Unbekannten" und "unbekannten Unbekannten" unterschied er einst feinsinnig, um den Umstand zu rechtfertigen, dass die Vereinigten Staaten trotz aller gegenteiligen Behauptungen vor der Invasion im Irak partout keine Massenvernichtungswaffen finden konnten.

Memoiren sind oft nichts anderes als lange Rechtfertigungsschriften, und auch Rumsfelds Rückblick stellt da keine Ausnahme dar. Am Ende behält der Autor recht. Fehler machen eigentlich nur immer die anderen - weil sie nicht auf den Rat gehört haben, den ihnen der Autor klarsichtig und selbstlos hat zuteilwerden lassen.

So war es schon, als Rumsfeld den damaligen Präsidenten Lyndon Johnson zu Beginn der großen Eskalation in Vietnam auf die mangelnden Aussichten seiner Strategie aufmerksam machte. So blieb es auch noch zu Zeiten der Bush-Regierung, als Außenministerin Condoleezza Rice und ihr Vorgänger Colin Powell die Amateure waren und nicht auf die Einsichten ihres älteren Kollegen im Verteidigungsministerium hören wollten.

Memoiren sind oft nichts anderes als Rechtfertigungsschriften. Auch in Rumsfelds Buch behält der Autor am Ende immer recht. Fehler machen nur die anderen. (Foto: AFP)

Die meisten bekommen ihr Fett weg - Rice und Powell vorneweg, aber auch Bush senior, den Rumsfeld im Zweifel ebenfalls zur Kategorie der Weicheier zählt. "Es hat mich immer erstaunt", schreibt er über einen Disput mit dem alten Bush, "dass seine Darstellung der Ereignisse durchgehend den Fakten widersprach." Bestehen in den Augen Rumsfelds können nur drei politische Wegbegleiter: Bush junior, sein Freund Cheney und Präsident Gerald Ford, dem er in den siebziger Jahren als Verteidigungsminister diente.

Recht behält Rumsfeld selbst dann noch, wenn er Versäumnisse einräumt. Etwa die "Fehleinschätzung", wie er es formuliert, nicht zurückgetreten zu sein nach dem Bekanntwerden des Folterskandals von Abu Ghraib, dem US-Gefängnis im Irak. "Mehr als irgendetwas anderes", schreibt er, "bedaure ich es, da nicht gegangen zu sein."

Doch sein Bedauern beschränkt sich darauf, dass sein Verbleiben im Amt den politischen Gegnern von Präsident Bush weitere Munition gegeben hat. Als Ursachen des Skandals macht er lediglich die mangelhafte Ausbildung und Beaufsichtigung der Wachsoldaten in Abu Ghraib aus - und nicht die stillschweigende Duldung von Folter und Missbrauch durch die Bush-Regierung im sogenannten Krieg gegen den Terror.

Eines muss man zugeben: Rumsfeld war nie ein Langweiler. Und auch seine umfangreichen Memoiren (mehr als 800 Seiten) sind unterhaltsam - zumal er in sie ein paar unbekannte Details einstreut.

Etwa den Umstand, dass er dreimal als Vizepräsidentschaftskandidat in Erwägung gezogen worden war, es aber nie wurde. Oder dass er zu den republikanischen Politikern zählt, die vom Auftritt eines Demokraten so beeindruckt waren, dass sie in die Politik gegangen sind. Rumsfeld war fasziniert von Adlai Stevenson, dem leidenschaftlichen Herausforderer von Dwight Eisenhower. Oder die Anekdote, dass Richard Nixon noch lange nach seinem demütigenden Abgang sich um die alten Wegbegleiter gesorgt hat - und Rumsfeld empfahl, im Interesse seiner weiteren Karriere anstatt einer Brille doch lieber Kontaktlinsen zu tragen. Rumsfeld trägt noch heute eine Brille.

© SZ vom 12.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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