Fremdenhass in Sachsen:Verschweigen, aussitzen - und die Rechten hofieren

Kläglich sind die Reaktionen der Politik auf die Vorfälle in Sachsen. (Foto: dpa)

Ministerpräsident Tillich weiß seit Jahren, dass es seine Sachsen sind, die ganz vorn dabei sind beim Rechtsextremismus. Nicht nur seine Reaktion war kläglich.

Kommentar von Constanze von Bullion

Widerlich, abscheulich, inakzeptabel - im Wettlauf um passende Worte zum Hohngeschrei junger Sachsen vor einer angezündeten Asylunterkunft und vor verängstigten Flüchtlingen in einem Bus suchen Politiker einander zu übertreffen. Aber warum perlen solche Worte eigentlich ab? Weil sie zu spät kommen und von den Falschen.

Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich, der jetzt erklärt hat, es seien "keine Menschen", die so etwas tun, weiß seit Jahren, dass es seine Sachsen sind, die ganz vorn dabei sind beim Rechtsextremismus, es in der DDR schon waren. In Sachsen wurden 2015 pro Kopf knapp dreimal so viele rechte Straftaten verübt wie in Nordrhein-Westfalen, das Spitzenreiter ist im Westen. Tillichs CDU schwieg lange, saß aus, hofierte Wähler am rechten Rand. Statt laut zu sagen: Ja, wir im Osten müssen uns auseinandersetzen mit tief verwurzeltem Fremdenhass.

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"Zum Schutz seiner Person" bekomme er eine neue Aufgabe. AfD-Chefin Frauke Petry gibt den Flüchtlingen im Bus eine Mitschuld an der Eskalation.

Jetzt muss die erste Reihe aufstehen

Noch kläglicher agiert der Bundesinnenminister, der jetzt Sachsens Polizei in Schutz nahm - und den Zorn über die Explosion rechter Straftaten dem Justizminister überließ. Das gleicht einer Kapitulation. Wenn Deutschland keine Pogrome will und keine Toten, muss jetzt die erste Reihe aufstehen: der Bundespräsident, die Kanzlerin, auch der Einheizer Horst Seehofer.

Die ganze Wucht der Flüchtlingsdebatte, sie muss endlich auch auf randalierende Angstbürger niedergehen. Sonst macht ihre Angst das Land kaputt.

© SZ vom 23.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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