Freihandel:Ein stilles Ja

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Warum sich, anders als bei TTIP, gegen das Abkommen mit Mexiko kein Protest regt? Auch die Kritiker haben gelernt: Wer die eigenen Werte verteidigen will, muss den Welthandel mitgestalten.

Von Claus Hulverscheidt

Manchmal ist es auch eine Botschaft, wenn gar nichts gesagt wird. Wenn niemand demonstriert, wenn die Transparente eingerollt in der Garage und Entscheidungen gänzlich unkommentiert bleiben.

Die Europäische Union und Mexiko haben sich auf ein Freihandelsabkommen geeinigt, das beinahe alle Zölle beseitigt, die Investitionsmöglichkeiten auf beiden Seiten verbessert und ein neues Schiedsmodell zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Firmen und Regierungen etabliert. Die Vereinbarung erinnert in weiten Teilen an den auf Eis liegenden europäisch-amerikanischen Handelsvertrag TTIP, gegen den im Herbst 2015 allein in Deutschland mehr als 100 000 Menschen auf die Straße gegangen waren. Diesmal protestiert niemand, ja selbst die Pressemitteilungen der Freihandelskritiker von links wie rechts, die sonst im Dutzend zugestellt werden, bleiben aus.

Was also ist anders an diesem Vertrag? Die Antwort lautet: Nicht der Vertrag ist anders - die Umstände sind es.

Zunächst einmal bestätigt sich ein Verdacht, der die Proteste gegen TTIP schon damals begleitet hatte: Neben berechtigter Kritik an manchen Inhalten und der Geheimniskrämerei beim Zustandekommen des Abkommens war seinerzeit auch eine gehörige Portion Anti-Amerikanismus im Spiel. Nicht der eigentliche Vertrag stand für viele Kritiker im Fokus, sondern der wirtschaftsliberale Grundgedanke, den er ausstrahlte und den die Vereinigten Staaten wie kein anderes Land dieser Welt verkörpern.

Zweieinhalb Jahre später erscheint das Amerika des Barack Obama, gegen das die Menschen damals demonstrierten, plötzlich nicht mehr als Heimstatt eines eiskalten Kapitalismus, sondern fast als eine Art Paradies: als ein weltoffenes Land, geführt von einem klugen Präsidenten, der Verträge einhält und sich für mehr interessiert als für sich selbst. Hier liegt der zweite, noch wichtigere Grund dafür, warum Proteste gegen das europäisch-mexikanische Abkommen bislang ausgeblieben sind. Donald Trump nämlich hat der Welt mit seinen Tiraden, Abschottungsbeschlüssen und Zolldrohungen gezeigt, was noch schlimmer ist als ein Freihandelsvertrag: gar kein Handel.

Der EU-Vertrag mit Mexiko provoziert keinen Protest mehr. Die Kritiker haben gelernt

Handel ist der Motor modernen Wirtschaftens. Er sorgt dafür, dass sich jedes Land auf das konzentriert, was es am besten kann, und doch zugleich in der Lage ist, aus dem Vollen zu schöpfen. Handel hat allein in China, Indien und Brasilien Hunderte Millionen Menschen aus der Armut geholt, in Deutschland sichert er Millionen Arbeitsplätze. Das alles heißt nicht, dass es keine Auswüchse gäbe, die einen Protest rechtfertigen. Dass nicht Menschen ausgenutzt, die Umwelt geschädigt, Steuern hinterzogen und Konzerninteressen bevorzugt würden. Es heißt aber sehr wohl, dass Kritik an Handelsabkommen konkret und sachlich sein muss und es wenig hilfreich ist, solche Verträge an sich zu diskreditieren.

Europa muss ein Interesse daran haben, die Welthandelsordnung auf dem Fundament eigener Werte und Moralvorstellungen mitzugestalten, so wie das im Vertrag mit Mexiko geschehen ist. Wenn Europa sich diesem Diskurs entzieht, werden andere in die Lücke stoßen - Menschen mit Vorstellungen von Liberalismus und Demokratie, die den europäischen teils diametral zuwiderlaufen. Produktpiraten aus Fernost etwa. Oder der irrlichternde Wüterich im Weißen Haus.

© SZ vom 24.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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