Frankreich Politik:Ungewohnt einig

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Im September 2021 nahmen die Präsidentschaftskandidaten Jean-Luc Mélenchon und Éric Zemmour an einer Fernsehdebatte teil. (Foto: Bertrand Guay/afp)

Der rechtsextreme Zemmour und der linke Mélenchon finden: Krieg ist schlecht. Dass die Präsidentschaftskandidaten in der Vergangenheit viel Verständnis für Kremlchef Putin hatten, soll keine Rolle mehr spielen.

Von Nadia Pantel, Paris

Welche Botschaft ließe sich in Kriegszeiten besser verkaufen als die des Friedens? Keine, waren sich an diesem Wochenende der rechtsextreme Präsidentschaftskandidat Éric Zemmour und sein linker Konkurrent Jean-Luc Mélenchon einig. Beide mobilisierten am Sonntag ihre Anhänger für Massenmeetings. Zemmour versammelte 8000 Menschen im südfranzösischen Toulon, Mélenchons Organisationsteam zählte 15 000 Teilnehmer bei seiner Kundgebung in Lyon. Konkrete Vorschläge, wie der russische Angriffskrieg in der Ukraine schnellstmöglich zu beenden sei, lieferte keiner der beiden Kandidaten. Doch sie setzen auf dasselbe Schlagwort: Frieden.

Bevor Mélenchon, Gründer und Chef der linken France Insoumise (LFI) das Wort ergriff, verteilten seine Anhänger Olivenzweige, internationales Symbol des Friedens, es handele sich bei der Wahlkampfveranstaltung um ein "Meeting für den Frieden". Weiter südlich in Toulon hatte sich Zemmour einige Stunden zuvor mehrfach als "Kandidat des Friedens" bezeichnet.

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Der linke Pazifist Mélenchon und der radikal-nationalistische Zemmour werben für entgegen gesetzte Gesellschaftsmodelle. Mélenchon fordert einen starken Sozialstaat, wirbt für eine tolerante Einwanderungsgesellschaft und will den Ausbau der ökologischen Landwirtschaft. Zemmours Kampagne beruht in erster Linie auf der Ablehnung von Einwanderern und Muslimen. Beiden gemeinsam ist jedoch, dass sie in der Vergangenheit mit besonderem Verständnis für Russlands Präsidenten Wladimir Putin aufgefallen sind.

Ein Umstand, der bei Zemmour so offensichtlich ist, dass der Kandidat gar nicht erst größere Mühe darauf verwendet, seine zahlreichen Putin-Elogen zu leugnen. Zemmour sprach mehrfach von seiner "Bewunderung" für Putin, der für ihn auch ein Vorbild im "Kampf der Zivilisationen" ist, den Zemmour gerne beschwört. In dieser binären Weltsicht steht Putin für Männlichkeit, Härte, Ablehnung von Multi-Kulturalismus, christlich geprägten Nationalstolz - Werte, die Zemmour offensiv als Gegenentwurf zu der von ihm beklagten "westlichen Verweichlichung" feiert. 2018, damals noch als Meinungs-Journalist, sagte Zemmour, er "träume von einem französischen Putin". In einem Buch hatte er 2016 geschrieben: "Die Ukraine existiert nicht."

Zemmours geopolitische Lösung? Raus aus der Nato

Die russische Invasion in der Ukraine nennt Zemmour nun zwar "nicht zu begründen", er sagte jedoch auch, dass der Krieg in der Ukraine davon ablenke, dass "unsere Probleme im Süden sind", womit Zemmour die Einwanderung aus Afrika meint. Bei seinem Meeting in Toulon sparte Zemmour den Ukraine-Krieg nun auch großzügig aus. Dass er der "Kandidat des Friedens" sei, wiederholte er dafür umso öfter. "Wir wollen keinen Weltkrieg und auch keinen Krieg innerhalb unserer Grenzen", sagte Zemmour und nahm damit seinen Leitgedanken wieder auf, dass Einwanderung zum Bürgerkrieg führe. Seine geopolitische Lösung? Raus aus der Nato: "Das einzige Lager, zu dem ich gehöre, heißt Frankreich."

Der Ausstieg aus der Nato ist ein Punkt, in dem Zemmour und Mélenchon sich einig sind. Anders als Zemmour versucht Mélenchon den Krieg in der Ukraine nicht einfach zu ignorieren, sondern machte ihn am Sonntag zum zentralen Thema seiner Wahlkampfrede (wobei er nicht erwähnte, dass er sowohl gegen Waffenlieferungen für die Ukraine ist als auch gegen Sanktionen gegen Russland). Den Angriff Russlands hat Mélenchon in den vergangenen Tagen immer wieder unmissverständlich verurteilt. "Russland trägt die gesamte Verantwortung", sagte Mélenchon über den Krieg. Dennoch lassen seine Äußerungen der Vergangenheit seine Positionen weniger klar erscheinen.

Mélenchon betonte am Sonntag, er stehe für "ein bündnisfreies Frankreich", das "von Fall zu Fall entscheiden müsse", welche geopolitische Strategie richtig sei und "keine Waffengewalt akzeptiere". Zu anderen Gelegenheiten klangen seine Analysen jedoch eher wie klares Freund-Feind-Denken, das in dem Anti-Amerikanismus wurzelt, der in Frankreichs radikaler Linken verbreitet ist. Ende Januar, als Russland 150 000 Soldaten entlang der ukrainischen Grenze stationierte, sagte Mélenchon: "Die USA sind in der Position des Aggressors, nicht Russland." Am Sonntag sagte Mélenchon, Frankreich dürfe nicht in einen "absurden Krieg" hineingezogen werden, der "ein kalter Krieg" sei, der "keinen Sinn habe".

Der grüne Präsidentschaftskandidat Yannick Jadot warf Mélenchon vor, er "maskiere mit seinen Friedensreden, dass er vor der Diktatur Putins kapituliert" habe. In den Umfragen liegt Mélenchon fünf Prozentpunkte vor Jadot.

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