Frankreich:Adieu Tristesse

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Riesige Fläche, riesige Regale: Einer der "Hypermarchés" in Frankreich. Genauer: Ein Carrefour in Antibes. (Foto: JEAN-PIERRE AMET/picture alliance / maxppp)

Sie werden mit dem Beinamen "hässliches Frankreich" beschrieben, nun will die Regierung in Paris die zahlreichen großen Einkaufszentren des Landes verschönern lassen. Aber was bedeutet das für die Menschen, die sie gern nutzen?

Von Oliver Meiler

Jedes Land hat seine hässlichen Flecken, sogar Frankreich. Land der Lavendelfelder im Süden, der Dünen und Klippen am Atlantik, der Alpen, der sanften Rebberge, der schönen Städte und ihrer Märkte mit wohlriechenden Rosthühnern. Es gibt in Frankreich Orte, die sind in den Augen der Franzosen selbst so unhübsch, dass sie ihnen den stehenden Begriff "la France moche", das hässliche Frankreich, angeheftet haben. Auch die Regierung nennt sie so. Unverhandelbar, jeder ästhetischen Interpretation entrückt. Fast schon verloren.

Gemeint sind die ungefähr 1500 Großeinkaufszonen des Landes, die in den Sechzigern und Siebzigern des vorigen Jahrhunderts vor allem vor den Toren der französischen Städte auf Agrarland entstanden sind. Überdimensionierte Zentren sind das, wie man sie davor nur aus Amerika kannte, samt gigantischer Plakatwände. Die Läden sind untergebracht in Hangars. In den Supermärkten, die man "Hypermarchés" nennt, gibt es von jedem Produkt fünf, zehn, fünfzehn Varianten, man läuft sich die Füße wund in den Regalstraßen. Im hässlichen Frankreich sind auch die Restaurants groß und billig, die Kinos zeigen nur die aktuellen Blockbuster.

Und das Beste: Das Parken ist gratis. Man fährt da hin, parkt, kauft ein, geht essen, ins Kino, fährt wieder heim. Der Parkplatz ist das Herz des Konzepts. Aber natürlich ist das ein Konzept aus einer anderen Epoche. "Es ist Zeit, dass wir diese Orte in unser Jahrhundert überführen", sagte neulich Olivia Grégoire, Frankreichs Ministerin für kleine und mittlere Unternehmen, Handel, Handwerk und Tourismus.

Alles soll anders werden, vor allem ökologischer. Es sollen Bäume gepflanzt werden in diesen Wüsten aus Blech und Beton. Die Hangars sollen neu isoliert werden, damit sie nicht mehr so viel Energie verschwenden. Vielleicht gelingt da und dort auch eine architektonische Aufhübschung. Manche Zentren sollen ganz abgerissen werden, damit sich die Natur ein paar Millionen Quadratmeter versiegelten Bodens zurücknehmen kann. Zunächst hat die Regierung dreißig Zentren ausgewählt, als Pilotprojekte. Es gibt jetzt auch ein Budget für die Studien. "Die Umwandlung wird Jahrzehnte dauern", sagte die Ministerin.

Etwas aber geht gerade unter in dieser löblichen Geschichte. Viele Franzosen tragen die "France moche" in ihrem Herzen. Diese oft gegeißelten Schandflecken, diese Sündenfälle der Urbanisten - sie sind fester Bestandteil des kollektiven Gedächtnisses, weitab von ästhetischen Überlegungen. Wie viele Kindergeburtstage und Familienfeste wurden allein in den Lokalen der Billigkette Buffalo Grill gefeiert, deren Namenszug über fast jeder Zone commerciale prangt.

Diese Orte waren mal Zeichen der Moderne, bunt und verheißungsvoll, ein bisschen Amerika eben. Sie öffneten den Konsum auch jenen Menschen aus der Peripherie, die sich die Preise in den Zentren der Städte nie leisten konnten. Nun werden siebzig Prozent aller Besorgungen in Frankreich in den Shoppingzentren draußen gemacht. Was ist wohl, wenn auch das hässliche Frankreich putzig wird - steigen dann nicht auch die Preise in den Läden, den "Hyper", bei Buffalo Grill? Schön ist nur schön, wenn man es sich leisten kann.

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