Frankreich:Affäre Sarkozy löst Regierungskrise der Sozialisten aus

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Frankreich rätselt: Was wusste Justizministerin Christine Taubira wann von der Affäre um Sarkozy? (Foto: AP)

Ein konservativer Ex-Präsident gerät bei einer Telefonüberwachnung unter Korruptionsverdacht - und die sozialistische Nachfolgeregierung stürzt daraufhin in eine Regierungskrise. In Frankreich ist der Opposition gelungen, Justizministerin Christiane Taubira zur neuen Zielscheibe im Fall Sarkozy zu machen.

Ein bisschen erinnert die Affäre an den deutschen Fall Edathy, als vor einigen Wochen ein sozialdemokatischer Abgeordneter wegen seiner Verfehlungen unter Beschuss gerät, und daraufhin ein christsozialer Innenminister zurücktreten muss. In Frankreich ist es nun der konservative Ex-Präsident Nicolas Sarkozy, der tagelang für Negativ-Schlagzeilen sorgte - und wo sich jetzt die sozialistische Justizministerin gegen Rücktrittsforderungen wehren muss.

Die Sozialisten mussten einräumen, über eine aufsehenerregende Abhöraktion gegen Ex-Staatschef Sarkozy informiert gewesen zu sein. Die Justizministerin hatte dies zunächst bestritten - und ist nun die Zielscheibe der Opposition. Wer wusste wann was über Sarkozys angezapftes Handy? Dem konservativen Lager gelang es, diese Frage in den Mittelpunkt der öffentlichen Debatte um die Abhöraktion gegen den Ex-Staatschef zu rücken. Von einer "Staatsaffäre, die nach wahrhafter politischer Spionage aussieht", sagte der Oppositionschef Jean-François Copé.

Die Enthüllung, dass Sarkozys Handy über Monate von der Justiz abgehört wurde, beschäftigte vergangene Woche ganz Frankreich. Wie die Pariser Tageszeitung Le Monde am Freitag enthüllte, lassen Untersuchungsrichter wegen einer mutmaßlichen Wahlkampfspenden-Affäre seit Monaten die Telefone des 59-Jährigen überwachen. Ursprünglicher Anlass für die Abhöraktion war nach Informationen der Zeitung der Verdacht, dass der konservative Sarkozy seinen Präsidentschaftswahlkampf im Jahr 2007 zum Teil mit Spenden des früheren libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi finanziert haben könnte. Die Staatsanwaltschaft hatte deswegen bereits im vergangenen April ein offizielles Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Doch bei der Telefonüberwachung deckten die Ermittler einen neuen möglichen Skandal auf: Sarkozy und sein Anwalt sprachen darüber, sich bei einem Staatsanwalt an Frankreichs Oberstem Gerichtshof Informationen zum Stand des Verfahrens in einer anderen Affäre zu besorgen. Im Gegenzug sollte der Staatsanwalt einen ruhigen Posten in Monaco bekommen.

Dankbare Gelegenheit für die Opposition

Die Justiz leitete daraufhin am 26. Februar eine richterliche Voruntersuchung wegen Bestechungsverdachts ein. Am selben Tag wurde das Haus von Justizministerin Christiane Taubira über die Ermittlungen - und sie selbst wenig später über die Abhöraktion - informiert. Auch in Deutschland ist es üblich, dass die zuständigen Ministerien in brisanten Angelegenheiten über Ermittlungen der Staatsanwaltschaften unterrichtet werden (wie auch im Fall Edathy). Taubira hatte am Montag in den 20-Uhr-Nachrichten aber erklärt, sie habe erst aus der Zeitung von der Abhöraktion erfahren. Der sozialistische Regierungschef Jean-Marc Ayrault musste allerdings 24 Stunden später einräumen: Taubira war tatsächlich schon im Februar informiert worden.

"Wir haben nicht den Inhalt der abgehörten Gespräche erfahren", versicherte der Premier, um die Wogen zu glätten. Doch die Opposition ging daraufhin, zwei Wochen vor den wichtigen Kommunalwahlen, zum Gegenangriff auf die Regierung über. "Die Justizministerin hat also gelogen", sagte Copé. "Angesichts dieser Lüge ist ihr Rücktritt unvermeidbar."

Taubira beteuerte am Mittwoch, nicht gelogen zu haben, und sprach von einem "Missverständnis": Sie habe eigentlich sagen wollen, dass sie über "Datum, Dauer und Inhalt" der Aufzeichnungen nicht informiert gewesen sei. Sie hätte sich "präziser" ausdrücken müssen, zurücktreten werde sie aber nicht.

Eng könnte es noch für den bei den Franzosen beliebten Innenminister Manuel Valls werden: Laut der Enthüllungszeitung Le Canard Enchaîné war auch er über die Abhöraktion informiert, der Chef von Frankreichs Polizeiapparat will aber erst aus der Zeitung davon erfahren haben. Le Monde spottete, Valls unternehme einen "lächerlichen" Versuch, sich als "der am schlechtesten informierte Mensch Frankreichs" darzustellen.

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