Frankfurter OB:Wer ist der Mann, der am Main ein neues Kapitel aufschlägt?

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Der frisch gewählte neue Oberbürgermeister Mike Josef (SPD) kommt am Sonntag nach der Stichwahl in den Römer. (Foto: Arne Dedert/DPA)

Überraschend wird wieder ein Sozialdemokrat Oberbürgermeister in Frankfurt: Mike Josef will nach der Abwahl seines skandalbehafteten Vorgängers "gewisse Strukturen" verändern. Der 40-Jährige genießt einen tadellosen Ruf.

Von Detlef Esslinger

Recht unwahrscheinlich war dieser Sieg, und zugleich bestätigt er eine langjährige Erfahrung. Der Sozialdemokrat Mike Josef hat in Frankfurt am Main die Oberbürgermeisterwahl gewonnen, am 12. Mai wird er vereidigt. Selten lagen einem Kandidaten so viele Steine im Weg wie ihm, selten schien es für die Gegenkandidaten von Grünen und CDU so leicht zu sein, ihn zu besiegen. Und dann belegte Mike Josef im ersten Wahlgang vor zwei Wochen immerhin Platz zwei, knapp vor der Grünen und deutlich hinter dem Christdemokraten - den er nun mit 6000 Stimmen Vorsprung besiegte. Am Sonntagabend im Hessischen Rundfunk sprach Josef von "Demut" und kündigte an, "gewisse Strukturen" zu verändern, das "alte Kapitel" solle schnell abgeschlossen sein.

Der Vorgänger in Frankfurt wird also jetzt nicht mehr bei seinem Namen genannt (Peter Feldmann), altes Kapitel ist die Bezeichnung für ihn. Diese OB-Wahl war ja nur nötig geworden, weil dieser Vorgänger sich in den vergangenen Jahren unmöglich gemacht hatte. Es kommt nicht oft vor, dass ein Oberbürgermeister wegen Vorteilsannahme in erster Instanz zu einer Geldstrafe verurteilt wird. Es kommt auch nicht oft vor, dass ein Oberbürgermeister der siegreichen Fußballmannschaft seiner Stadt den Pokal wegschnappt oder in ein Mikrofon sagt, die Flugbegleiterinnen hätten ihn hormonell außer Gefecht gesetzt. Und sehr, sehr selten kommt dies alles zusammen vor.

Normalerweise bezahlt eine Partei für einen blamablen Vorgänger

Im November hatten die Frankfurterinnen und Frankfurter den Sozialdemokraten Feldmann abgewählt. Im März wollte Mike Josef sein Nachfolger werden. Auch jemand mit diesem Label: Sozialdemokrat. Normalerweise bezahlt eine Partei für solch einen Vorgänger, auch wenn das all den Anständigen in dieser Partei ungerecht erscheinen mag. Normalerweise.

Dass dies in Frankfurt nun anders ist, liegt nach Einschätzung vieler an dem Kandidaten Josef - und der Neigung im Wahlvolk, bei Bürgermeister-, OB- und Landratswahlen sich vor allem an der Person zu orientieren, weniger an der Partei, die hinter seinem Namen in Klammern steht. Deswegen gibt es in Essen einen OB von der CDU, in Niederbayern eine Landrätin von der SPD, und Rostock wählte im vergangenen Jahr eine Linke zur Nachfolgerin des CDU-nahen OB.

In Frankfurt genießt Mike Josef, 40, einen tadellosen Ruf. Er ist Dezernent der Stadt für Planen, Wohnen und Sport, die Frankfurter Allgemeine Zeitung schreibt, er überzeuge durch seine Leistung in diesem Amt und "als Mensch". In München dürfte das OB-Amt nur sehr schwer erreichbar sein für jemanden, der zugereist ist. Frankfurt ist in der Hinsicht souveräner. Mike Josef bezeichnet Ulm als seine Heimatstadt, sein Geburtsort wiederum ist Qamischli in Syrien, von wo seine Familie bereits 1987 floh. "Als Christen waren meine Eltern dort nicht mehr sicher gewesen", sagt er. Der Vater war Lagerarbeiter, an seine Kindheit erinnert Josef sich so: "Wir wa­ren nicht wohl­ha­bend, aber glück­lich. Wir wa­ren si­cher."

Ein Frankfurter OB braucht viel natürliche Autorität

Was erwarten sie in Frankfurt nun vom neuen OB, vom neuen Kapitel quasi? Den Wahlkampf hat er mit den Themen Wohnen, Schulen, Kitas, Verkehr und Klima bestritten; gewonnen hat er auch deshalb, weil die Grünen ihn vor der Stichwahl unterstützten - und leichter als der unterlegene CDU-Kontrahent Uwe Becker, ein Staatssekretär in der schwarz-grünen Landesregierung, dürfte er es zumindest aus einem Grund haben: Im Römer regiert eine Koalition aus SPD, Grünen, FDP und Volt; als Frankfurter SPD-Vorsitzender ist der neue OB immerhin Teil dieser Koalition. Das Amt klingt ja immer sehr nach Chef, aber die hessische Kommunalverfassung gibt einem OB viel weniger Macht als Kollegen in anderen Bundesländern, sie wirft ihn zurück auf seine natürliche Autorität.

Womit man wieder beim alten und beim neuen Kapitel wäre. Am 18. Mai ist in der Paulskirche der Festakt zu 175 Jahre Deutsche Nationalversammlung. In Frankfurt freuen sie sich auf einen Repräsentanten, der sie wenigstens nicht blamiert.

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