Frank-Walter Steinmeier:Der einzige Kandidat

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Frank-Walter Steinmeier hat bei der Europawahl ein Ergebnis zu verantworten, das schlechter ist als das schlechteste von Gerhard Schröder. Doch die Sozialdemokraten haben keine Alternative zum Kandidaten Steinmeier.

Nico Fried

Nach der letzten Europa-Wahl war Gerhard Schröder ein glücklicher Mann. Zumindest verglichen mit Frank-Walter Steinmeier heute. Schröder war schon sechs Jahre Bundeskanzler. Er hatte nach einiger Verzögerung eine schwierige Reformpolitik für sich als richtig erkannt, sodass er im Juni 2004 mit einem desaströsen SPD-Wahlergebnis von 21,5 Prozent hinstehen und sagen konnte: Ich kann nicht anders, und ich werde auch nichts ändern. Knapp 16 Monate später schaffte er bei der Bundestagswahl ein Resultat, für das die Sozialdemokraten heute vor Dankbarkeit auf die Knie fallen würden.

Aussichtslos? Trostlos? Würdelos? In welchem Zustand befindet sich die SPD und ihr Kanzlerkandidat Steinmeier? (Foto: Foto: ddp)

Frank-Walter Steinmeier dagegen ist nicht Kanzler, sondern nur Kandidat, und selbst das immer noch nicht so richtig. Jetzt hat er bei den Europawahlen ein Ergebnis mit zu verantworten, das schlechter ist als das schlechteste von Schröder. Steinmeier aber bleiben keine 16 Monate mehr, sondern nur noch 16 Wochen. Noch ist er mit an der Macht, aber was ihm fehlt, ist eine Machtoption. Wenn die Lage der SPD vor fünf Jahren also verheerend war, was ist sie heute? Aussichtslos? Trostlos? Würdelos?

Die Sozialdemokraten sind derzeit die am ungerechtesten beurteilte Partei in Deutschland. Das geht damit los, dass sie sich andauernd selbst kritisieren. Der schärfste Kritiker der rot-grünen Agenda-Politik kann nicht leugnen, dass diese Reformen geholfen haben, die Sozialversicherungen in einen bislang ziemlich krisenfesten Zustand zu bringen. Und in der großen Koalition fällt die SPD mit ihrer Arbeit gegen Finanzkrise und Rezession personell wie inhaltlich ganz sicher nicht hinter CDU und CSU zurück. Mitleid aber schafft keine Mehrheit. Und Selbstmitleid erst recht nicht.

Trotzdem fühlen sie sich nun wieder ungerecht behandelt. Steinmeier hat versucht, in der Krise über das Image des Reformers das des Kümmerers zu streifen. In Ausnahmefällen mag das helfen. In Krisenzeiten aber, da die Ausnahme zur Regel wird, bedarf es offenbar einer Voraussetzung, wenn man mit Staatsgeld Arbeit retten und daraus politisches Kapital schlagen will: Die gesellschaftliche Solidarität mit denen, die akut gefährdet sind, muss größer sein als die Zweifel all derjenigen, die noch nicht gefährdet sind. Das aber ist nicht der Fall, so hart das klingt. Die Bemühungen der SPD werden kritisiert, statt honoriert. Und die Kanzlerin verstärkt das genüsslich, indem sie fast so tut, als wäre sie bei Opel gar nicht dabei gewesen.

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:Deutschland hat gewählt

Bundeskanzlerin Merkel tut es, Vizekanzler Steinmeier auch. Gemeinsam ist ihnen die Sorge um die Wahlbeteiligung. Bei trüben Wetter verläuft die Europawahl in Deutschland schleppend.

Irgendwie aber muss es weitergehen für die SPD. Eine Zeit lang hat sich die Partei an die Hoffnung geklammert, dass irgendwann einfach Schluss sein werde mit dem Abwärtstrend. So war es vor den bayerischen Landtagswahlen. Doch selbst da ging es noch weiter runter, obwohl die CSU in historische Abgründe stürzte. Vor der Europa-Wahl hieß es erneut, schlimmer als letztes Mal kann es nicht werden. Wieder ein Irrtum. Jetzt kommt die Bundestagswahl, und alle glauben, da werde alles anders.

Verluste der einen Volkspartei schlagen nicht mehr bei der anderen zu Buche, wenn man denn noch von Volksparteien reden kann. Die SPD gewinnt nicht, was die Union verliert. Trotzdem gibt es keine zwei politischen Lager in Deutschland. CDU, CSU und FDP mögen ein Lager bilden, in dem der Stimmenanteil gleich bleibt und sich im Wesentlichen nur innerhalb der eigenen Grenzen verschiebt. Die Stimmen der SPD aber diffundieren in alle Richtungen, einschließlich Nichtwähler.

Die SPD muss also erst mal die eigenen Anhänger zurückgewinnen, bevor sie an die anderer Parteien denkt. Im Polit-Sprech nennt man das ein Mobilisierungsproblem. Übersetzt heißt es nichts anderes, als dass Steinmeier und Franz Müntefering in jedem Wahlkampf wieder wie Gebrauchtwagenhändler ein Auto anpreisen, dass spuckt und kracht, aber nicht zündet.

Ein Grund dafür ist auch die Doppelspitze selbst. Kandidat und Parteichef ergänzen sich bislang nicht zum Nutzen der SPD. An Schröder schätzte Müntefering den unbedingten Machtwillen, die Fähigkeit zur Rücksichtslosigkeit gegen die eigenen Leute und erst recht gegen den politischen Gegner. Steinmeier fehlt diese Unerbittlichkeit, das Brutale, wenn man so will. Das ist Münteferings Problem mit dem Kanzlerkandidaten, weil der Parteichef so gerne einen Wahlkampf wie 2005 führen würde.

Für Steinmeier erwächst daraus das Problem, dass Müntefering bereits einen Wahlkampf führt, bei dem der Kandidat nicht mitgehen kann und will. Münteferings heftige Angriffe auf Angela Merkel konnte ein Vizekanzler nicht genau so formulieren, der noch immer jeden Mittwoch im Kabinett neben der Regierungschefin sitzen muss. Auch bei den Zusagen staatlicher Hilfe für Arcandor preschte Müntefering voraus. Wo Steinmeier vom Kompass spricht, holt Müntefering den Hammer raus. So aber schiebt sich der Sozialdemokrat in den Vordergrund, der da nicht hingehört.

Steinmeier ist nicht der falsche oder der richtige, sondern der einzige Kandidat, den die SPD hat. Er muss in den verbleibenden Wochen überzeugend die Führung übernehmen. Er muss Akzente setzen, und sei es auch mal gegen die eigenen Leute. Der Kandidat habe die volle Unterstützung der Parteispitze, hat Müntefering am Montag gesagt. Das klingt, als werde die SPD Steinmeier durch den Wahlkampf ziehen. Es muss aber am Ende anders herum sein.

© SZ vom 09.06.2009/woja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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