Draußen auf der Straße schweigt Olaf Scholz. Der Bundeskanzler trottet meist wortlos durch Bad Münstereifel, die Fachwerkstadt im Südwesten Nordrhein-Westfalens. Auf seine blank geputzten Schuhe wird sich während des zweistündigen Besuchs eine dünne Staubschicht legen, noch immer ist die Stadt mit ihren 18 000 Einwohnern eine riesige Baustelle: Ein Bagger schüttet neuen Sand auf für den Fußweg an der Erft, ein Lkw liefert frischen Asphalt, um die Fußgängerzone neu zu teeren.
Scholz spricht an diesem diesigen Dienstagnachmittag öffentlich nur in Gebärden. Etwa wenn er neben der kleinen Brücke steht, wo unten die Erft als Rinnsal fließt, und er fragend auf das rostige, zerbeulte Rohr zeigt. Ja, das werde auch noch erneuert, versichert ein Polier. Auf dem Weg durch die Orchheimer Straße spricht Scholz kurz mit einem Händler. Was der Kanzler flüstert, ist nicht zu vernehmen. Er hört zu, seine Hände fast demütig vor dem Bauchnabel gefaltet. Nebenan hämmern Handwerker neue Regale an die frisch verputzte Wand, ein Elektriker zieht Leitungen durch die Decke.
Fünf der 49 NRW-Flutopfer starben in Bad-Münstereifel. Jetzt, sieben Monate nach der verheerenden Sommerflut im Juli 2021, steht die Stadt langsam wieder auf. Im Schaufenster des Porzellanladens gibt es wieder bunte Becher für die Touristen, auch der Bioladen und das "Trachtenstüberl" verkaufen wieder, und beim "Glückskind," einem Textilgeschäft, hängt eine neue Kollektion an der Wand: Donnerstag ist Wiedereröffnung. Sogar der Bestatter schräg gegenüber versichert auf einem Regenbogen-Plakat im Schaufenster: "Wir bauen wieder auf - noch schöner." Scholz, so heißt es aus dem Tross seiner Begleiter, sei gekommen, "um Zuversicht zu verbreiten". Dass ihm das auf seine stille Art gelingt, wird am Ende ausgerechnet eine CDU-Politikerin bestätigen: "Die Bürger können wieder Mut schöpfen," sagt Sabine Preiser-Marian, "und das können wir nur durch die Unterstützung von Bund und Land."
Scholz hatte, damals noch als Finanzminister und Kanzlerkandidat, drei Wochen nach der Sintflut in der Region ein Versprechen geleistet. Zwar könne niemand "die zerstörten Leben, die zerstörte Gesundheit" wiedergutmachen - "und alles, was die Katastrophe in den Herzen und Köpfen angerichtet hat". Aber dann hatte er in Stolberg, etwa 50 Kilometer nordwestlich von Bad Münstereifel, sein Wort gegeben: "Aber das, was man mit Geld in Ordnung bringen kann, das werden wir mit Geld in Ordnung bringen." Neben ihm stand da Armin Laschet im Regen, damals Konkurrent fürs Kanzleramt von der Union und Ministerpräsident von NRW, dem so manche Szene aus den Fluttagen das Image verhagelte.
Inzwischen ist Hendrik Wüst Ministerpräsident im Land, in Bad Münstereifel versichert der CDU-Politiker, inzwischen seien 96 Prozent aller Hilfsanträge von Privatpersonen bearbeitet. Wüst muss im Mai Landtagswahlen bestehen, ein Rundgang mit dem Bundeskanzler schafft ein bisschen Aufsehen. Wüst und Scholz gehen meist schweigend nebeneinander her, den beiden wird nach einigen Kabbeleien über Corona kein warmherziges Verhältnis nachgesagt.
Umweltministerin unter Druck
Zudem plagen Wüsts Regierung in Düsseldorf die Nachwehen der Flut. Seine Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) war direkt nach der Katastrophe, während die Menschen in Bad Münstereifel den Schlamm aus den Kellern schippten, zurück nach Mallorca geflogen. Im Untersuchungsausschuss, das belegt seit Dienstag ein Wortprotokoll ihrer Vernehmung, hatte sie von vier Tagen Aufenthalt gesprochen. Nun räumte sie ein: Es waren neun Tage auf der Insel.
Im Staub von Bad Münstereifel will Wüst nicht viel sagen zu seiner Parteifreundin. Nur dies: Die Ministerin habe ja dafür, dass es "Verärgerung gibt, Verständnis gezeigt". Wüst fügt hinzu: "Ich teile das." Scholz sagt auch dazu nichts. Er ist schon abgereist.