Flüchtlingskrise:Merkel bittet Putin um Hilfe

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Die Kanzlerin verlangt vom russischen Präsidenten, auf Belarus einzuwirken, um die Instrumentalisierung von Flüchtlingen an der polnischen EU-Außengrenze zu beenden. Der Kreml weigert sich.

Von Markus Balser und Constanze von Bullion, Berlin

Angesichts der immer dramatischeren Lage für tausende Flüchtlinge an der belarussisch-polnischen Grenze hat die geschäftsführende Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Montag Russlands Präsident Wladimir Putin um Unterstützung gebeten. Sie habe heute mit Putin telefoniert "und ihn gebeten, auf den Präsidenten Lukaschenko einzuwirken", sagte Merkel am Mittwochabend mit Blick auf den belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko. "Hier werden Menschen benutzt, sie sind sozusagen Opfer einer menschenfeindlichen Politik, und dagegen muss etwas unternommen werden."

Putin verfüge über erheblichen Einfluss auf den belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Kremlsprecher Dmitrij Peskow wies den Gedanken als "absolut unangebracht" zurück, dass Russland etwas mit dem Konflikt zu tun habe. Er bekräftigte aber, dass Russland den Bruderstaat in seiner Konfrontation mit dem Westen unterstütze.

Seit Tagen kampieren mehr als 3000 Menschen bei eisiger Kälte im Grenzland zwischen Belarus und Polen. Nach zwei Versuchen, einen Grenzzaun nach Polen zu überwinden, wurden mehrere Hundert Migranten auf belarussischer Seite festgesetzt. Die EU wirft dem belarussischen Machthaber Lukaschenko vor, er lasse Menschen aus Krisenregionen gezielt nach Minsk einfliegen, um sie Richtung EU zu schleusen. Damit wolle er die EU unter Druck setzen und Sanktionen gegen sein Land aufweichen.

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) kündigte an, die illegalen staatlichen Schleusungen zu unterbinden und die Sanktionen gegen die Regierung Lukaschenko verschärfen zu wollen. Auch die Europäische Union plant weitere Strafmaßnahmen. Diese würden Personen und Organisationen betreffen, kündigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch nach einem Gespräch mit US-Präsident Joe Biden in Washington an.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) bekräftigte die Bereitschaft, Polen bei der Abwehr der Migranten zu unterstützen. Allerdings hat Polen bisher nicht um Hilfe gebeten. Nötig seien jetzt humanitäre Maßnahmen, sagte Seehofers Sprecher. Zugleich müsse aber der Schutz der EU-Außengrenzen gesichert werden. Dafür seien "in bestimmten Bereichen der Grenze auch bauliche Veränderungen" notwendig.

Das Thema sorgt auch bei den Koalitionsverhandlungen für Verwerfungen. Umstritten ist etwa, ob die Grenzschutzagentur Frontex an der belarussisch-polnischen Grenze eingesetzt werden soll. SPD und FDP befürworten das offenbar. Bei den Grünen hingegen gibt es erhebliche Vorbehalte gegen Frontex. "Die Ampel-Parteien müssen zügig einen Plan vorlegen, wie auf die Lage an der Grenze reagiert werden soll", schrieb Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) auf Twitter. Ampel-Unterhändler reagierten verärgert. Die geschäftsführende Regierung könne ihre Verantwortung nicht einfach abwälzen.

Die Zahl Geflüchteter, die über Weißrussland in die EU kommen, ist zuletzt deutlich gestiegen. 2021 stellte die Bundespolizei gut 9087 "unerlaubte Einreisen mit Bezug zu Belarus" fest, etwa 1250 davon seit Anfang November. Von Januar bis Juli gab es nur 30 solcher Fälle. Von August bis Anfang November wurden gegen insgesamt 308 Schleuser Strafverfahren eingeleitet.

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