Flüchtlingsgipfel:Faeser: "Wir müssen uns alle unterhaken"

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Burkhard Jung (SPD), Städtetagpräsident, Nancy Faeser (SPD), Bundesinnenministerin, und Joachim Herrmann (CSU), bayerischer Innenminister, geben auf einer Pressekonferenz im Innenministerium die Ergebnisse des Flüchtlingsgipfels bekannt. (Foto: Wolfgang Kumm/dpa)

Ein harter Kriegswinter in der Ukraine könnte die Zahl der Flüchtenden steigen lassen. Länder und Kommunen haben daher den Druck auf die Innenministerin erhöht. Die signalisiert Entgegenkommen und will 56 Bundesimmobilien für Geflüchtete zur Verfügung stellen.

Fast eine Million Ukrainer sind seit Beginn der russischen Invasion nach Deutschland geflüchtet und die Zahl der Menschen, die vor dem Krieg fliehen, steigt aller Voraussicht nach weiter an. Der Chef des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR), Filippo Grandi, rechnet damit, dass sich die Situation wegen der jüngsten Eskalation mit massiven Raketenangriffen auf ukrainische Städte verschärft. Wenn Menschen nach den Zerstörungen keine Bleibe, keine Heizung und Versorgung mehr hätten, werde die Zahl derer steigen, die andernorts Zuflucht suchen, so Grandi.

Wie kann Deutschland dieser humanitären Herausforderung begegnen? Was bedeutet sie für Länder und Kommunen? Und wie werden die Kosten dafür verteilt? Darüber hat sich Bundesinnenministerin Nancy Faeser bei einem Flüchtlingsgipfel mit Vertretern von Ländern, Städten und Gemeinden beraten.

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Von Nina von Hardenberg

Vor dem Gipfel hatte die Bundesinnenministerin in einem Interview mit dem ARD-"Morgenmagazin" bereits mehr Unterstützung des Bundes in Aussicht gestellt. Einen Streit über die Finanzierung der Unterbringung wolle sie vermeiden. Es geht darum, dass wir jetzt unterhaken, dass Bund, Land und Kommunen die Lage gemeinsam bewältigen".

"Wir haben eine angespannte Situation", sagte Faeser später bei der Pressekonferenz im Anschluss an den Flüchtlingsgipfel. Gerade mit Blick auf die bevorstehenden Wintermonate sei eine enge Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen nötig. Der Montag mit massiven Angriffen in der Ukraine, auch auf Zivilisten, habe noch einmal vor Augen geführt, welche Art des Angriffskriegs die Menschen derzeit mitten in Europa erleben.

Es sei ein großer Kraftakt, die Menschen aus der Ukraine - zumeist Frauen und Kinder - zu versorgen. Um die Hilfe bestmöglich zu koordinieren, werde eine gemeinsame Plattform für den Austausch von Bund, Ländern und Kommunen gestartet.

Die Bundesregierung stelle den Ländern zusätzliche 56 Immobilien zur Unterbringung von Flüchtlingen zur Verfügung. Zu solchen Immobilien zählen beispielsweise Kasernen.

Faeser will auch die Situation von Flüchtenden in der Ukraine verbessern

Faeser kündigte zudem an, die Grenzkontrollen zum Nachbarland Österreich über November hinaus erneut um ein halbes Jahr verlängern zu wollen. Zudem plant sie Gespräche auf europäischer Ebene. Dabei soll es um Schwierigkeiten bei der Rückführung von Asylsuchenden gehen, für deren Versorgung nach der Dublin-Verordnung eigentlich ein anderes EU-Land zuständig wäre.

Man wolle aber nicht nur die nach Deutschland geflüchteten Ukrainer unterstützen, sondern auch die Situation für Geflüchtete innerhalb der Ukraine verbessern und gemeinsam mit den europäischen Partnern den Bau winterfester Unterkünfte im Land unterstützen.

Viele Kommunen und einige Länder hatten vor dem Treffen mit Faeser auf mehr finanzielle Unterstützung gepocht. So warf der bayerische Innenminister Joachim Herrmann der Bundesregierung vor, den Ernst der Lage zu verkennen. Die Kommunen seien bei der Unterbringung der Menschen an der Belastungsgrenze und die Ampel sende "ausschließlich Signale für mehr Zuwanderung". Die Zugangszahlen nach Bayern, sowohl von Asylsuchenden als auch von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine, lägen in diesem Jahr "mit weit mehr als 200 000 Personen bereits jetzt über dem Niveau von 2016, dem Jahr der sogenannten Flüchtlingskrise", sagte der CSU-Politiker der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Auch Hessens Innenminister Peter Beuth forderte im Vorfeld des Gipfels konkrete Zusagen vom Bund an die Kommunen. "Es muss nun endlich die Kostenfrage geklärt werden", sagte Beuth der Nachrichtenagentur dpa. "Die Bundesinnenministerin hat einiges angekündigt, nur passiert ist bislang nichts", kritisierte der CDU-Politiker. Der Bund habe eine Koordinierungsfunktion, von der noch immer nichts zu spüren sei.

Die Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan (SPD), rät unterdessen zu Vorbereitungen auf mögliche neue Fluchtbewegungen und zur Weitsicht. Die Zahlen der neu ankommenden Geflüchteten aus der Ukraine seien mit etwa 150 pro Tag zwar aktuell rückläufig, "aber ein harter Kriegswinter kann das ändern", sagt Alabali-Radovan dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

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