Ein gutes Ergebnis, ein Deal, oder ein Kuhhandel? Am Asylkompromiss zwischen der großen Koalition und Winfried Kretschmann entzünden sich immer noch Debatten, nicht nur bei den Grünen. Der grüne baden-württembergische Ministerpräsident hatte im September im Bundesrat zugestimmt, Serbien und Mazedonien und Bosnien-Herzegowina zu sichereren Herkunftsstaaten zu erklären und dafür Verbesserungen für andere Flüchtlingsgruppen erreicht.
Danach brach ein innerparteilicher Sturm los: Das Menschenrecht auf Asyl sei "für einen Appel und ein Ei verdealt" worden, tobte der grüne Innenexperte Volker Beck, Ex-Parteichefin Claudia Roth attackierte Kretschmanns Kompromiss als "nicht verantwortungsvoll". Doch es gibt auch andere Stimmen, bis hinein in die Kirche. Der katholische Bischof von Rottenburg, Gebhard Fürst, nennt den Kompromiss ein "Signal in die richtige Richtung", Berlins langjährige Ausländerbeauftragte Barbara John sagt: "Der Beschluss ist richtig".
Konkret bedeutet der Kompromiss, dass Asylbewerber aus den drei Balkanstaaten noch schneller abgeschoben werden können als bisher auch schon. In der Regel handelt es sich um Roma, die unter Diskriminierung und Armut leiden, jedoch nicht als politisch verfolgt gelten. Im Gegenzug hatte Kretschmann Verbesserungen für die übrigen Flüchtlinge erreicht. Sie dürfen künftig frei reisen, allerdings bestimmen die Behörden weiterhin ihren festen Wohnsitz.
Asylbewerber und Geduldete dürfen sich bereits nach 15 Monaten statt nach vier Jahren gleichberechtigt mit Deutschen um Jobs bewerben. Zudem sollen sie künftig Geld erhalten statt Sachleistungen. Das heißt, sie können sich Lebensmittel selbst kaufen statt von Essenspaketen zu leben. Was bedeuten diese Neuerungen? Die SZ hat Asylbewerber gefragt, was sie erwarten, erhoffen - und befürchten:
Majer Gercken, 43
"Wir sind schon fast zwei Jahre in Deutschland, meine Frau und meine vier Kinder. Wir Roma sind sehr, sehr diskriminiert in Mazedonien. Die Söhne von einflussreichen Leuten aus Politik und Polizei haben meinen Vater verprügelt und sind dafür ins Gefängnis gekommen. Seitdem haben wir große Probleme. Meine Frau wurde vergewaltigt, sie leidet unter Depressionen. Wir haben einen Asylantrag gestellt, aber ich will nicht aufs Sozialamt, ich will arbeiten.
In München hatte ich schon ein Angebot für eine Vollzeitstelle, aber die Ausländerbehörde genehmigte mir nicht, da anzufangen. Wenn Arbeiten mit dem Kompromiss nun leichter wird, ist das sehr gut. In Mazedonien war ich Taxifahrer, aber ich würde hier alles machen. Frei zu reisen wäre großartig, weil meine Eltern in Hamburg leben. Dann könnte ich sie endlich besuchen. Zurück nach Mazedonien will ich auf keinen Fall. Wenn ich zurückgehen soll, mache ich meinen Reisepass kaputt."