Flüchtlinge:Spannungen auf der Flüchtlingsroute durch neue Grenzzäune

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Syrische Flüchtlinge an der Grenze zwischen Griechenland und Mazedonien. (Foto: Georgi Licovski)

Ljubljana (dpa) - Slowenien hat am Freitag die magische Schwelle von 200 000 über die Grenze gekommenen Flüchtlingen und Migranten seit Mitte Oktober überschritten und zieht die Reißleine.

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Ljubljana (dpa) - Slowenien hat am Freitag die magische Schwelle von 200 000 über die Grenze gekommenen Flüchtlingen und Migranten seit Mitte Oktober überschritten und zieht die Reißleine.

Das EU-Mitglied baut auf einer Länge von 80 Kilometern Zäune zum jüngsten EU-Mitglied Kroatien. Österreich zieht nach und kündigt an, in ein bis zwei Monaten solle am Grenzübergang Spielfeld ein knapp vier Kilometer langer und 2,20 Meter hoher Zaun zum EU-Partner Slowenien entstehen. Daneben wird ein 25 Kilometer langer Zaun vorbereitet, der gegebenenfalls binnen 48 Stunden aufgestellt werden kann.

Die Grenze in Slowenien wird nicht geschlossen, beteuert Regierungschef Miro Cerar. Die Flüchtlinge würden lediglich über die regulären Übergänge umgeleitet. Auch Österreich sagt: „Es geht um eine geordnete Einreise und nicht um eine Sperre“. Sein Außenminister Sebastian Kurz verlangt dagegen Grenzzäune, weil die Lage „natürlich außer Kontrolle“ geraten sei, behauptet er im Wiener TV-Sender ServusTV. Schließlich sind laut Innenministerium allein seit September 450 000 Menschen nach Österreich gekommen - und zum größten Teil nach Deutschland weitergezogen.

Zwischen den EU-Nachbarn Slowenien und Kroatien gibt es schon Zoff, auch wenn der neue Zaun noch gar nicht fertig ist. Er stehe bei Rigonce auf kroatischem Territorium, behauptet Zagreb und will seinen Abbau notfalls selbst durchsetzen. Slowenien versichert, die neue Blockade stehe ausschließlich auf eigenem Staatsgebiet. Das Problem: Der Grenzverlauf ist an dieser Stelle seit über zwei Jahrzehnten umstritten.

Schnell baut sich eine Drohkulisse auf: Dutzende schwer bewaffnete slowenische Polizisten stehen bereit, um einen möglichen Angriff Kroatiens auf den Grenzzaun abzuwehren. Schon kommt die Warnung von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Erinnerung, in der Flüchtlingskrise befürchte sie bewaffneten Streit zwischen den Balkanländern. Kroatiens Innenminister Ranko Ostojic macht sich am Freitag noch über den slowenischen Zaun lustig: Der sei so mickrig, dass er bei Gelegenheit von kroatischen Jägern beiseite geräumt werde.

Traditionell schauen die Slowenen, im alten Jugoslawien immer am weitesten entwickelt, etwas gönnerhaft oder sogar hochnäsig auf die Kroaten, fühlen sich ihnen überlegen. Die legen das gleiche Verhalten gegenüber ihrem serbischen Nachbarn an den Tag. Zuletzt hatte Kroatiens Regierungschef Zoran Milanovic die Serben wiederholt schwer beleidigt.

Welche Folgen hat der Grenzzaun für die Flüchtlinge auf der Balkanroute? Eigentlich kommen schon heute kaum Menschen über die grüne Grenze nach Slowenien. Fast alle erreichen das Schengenland per Zug von Kroatien über den Bahnhof Dobova. Daher glaubt das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR in Belgrad auch nicht, dass es größere Rückstaus an Migranten geben wird. Warum aber dann der Zaun? Nur zur Beruhigung der eigenen Bürger, behauptet Kroatiens Ostojic. Vielleicht sei das aber die Vorbereitung zur echten Schließung auch der Grenzübergänge, heißt es hinter vorgehaltener Hand.

Weiter südlich auf der Balkanroute erwarten die Medien in Serbien und in Mazedonien, dass über kurz oder lang auch Deutschland seine Grenzen dichtmacht. Wie darauf reagiert werden soll, lassen die Regierungen bisher offen. Serbien zum Beispiel renoviert zurzeit zehn Kasernen im ganzen Land. Die sollen im Falle eines Falles den Flüchtlingen als Winterquartier dienen. Allerdings sollen die erst in drei Monaten fertigstellt sein, berichtete die Belgrader Zeitung „Danas“. Dann ist der Winter schon fast vorbei.

Es schlummert also viel Konfliktpotenzial auf der Hauptflüchtlingsroute. Bisher hatten sich Griechenland, Mazedonien, Serbien, Kroatien und Slowenien als Transitland in die Aufnahmestaaten Österreich, Schweden und vor allem Deutschland verstanden. Die Menschen hielten sich nicht länger als 24 oder 48 Stunden im jeweiligen Land auf. Das kann sich schnell ändern.

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