Migrationspolitik:Schwesig für kleinere Unterkünfte: Upahl geht vor Gericht

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Manuela Schwesig (SPD), Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, spricht. (Foto: Jens Büttner/dpa)

Seit Wochen laufen Proteste gegen den Bau eines Containerdorfes für 400 Geflüchtete in Upahl. Und auch in anderen Regionen ist guter Rat teuer, wie die Menschen noch untergebracht werden können. Nun hat sich Ministerpräsidentin Schwesig in die Debatte eingeschaltet.

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Schwerin/Upahl (dpa/mv) - Im Konflikt um die Container-Unterkunft für 400 Geflüchtete in Upahl (Nordwestmecklenburg) hat sich Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) für eine Reduzierung des Projektes ausgesprochen. Die Aufnahme von Flüchtlingen sei humanitäre Pflicht. „Wir müssen unserer Verantwortung gerecht werden, aber auch aufpassen, dass wir die Orte selber nicht überfordern. Das ist eine große Herausforderung, weil wir vor Ort bei den Unterbringungskapazitäten am Limit sind“, sagte Schwesig am Donnerstag in Schwerin. Es gebe praktische Grenzen.

Am Donnerstag wurde bekannt, dass sich die Gemeinde Upahl juristisch gegen den Bau der Containerunterkunft zur Wehr setzt. Wie ein Sprecher des Verwaltungsgerichts in Schwerin sagte, ging am Nachmittag ein Eilantrag gegen den Landkreis ein, mit dem Ziel die bereits begonnenen Arbeiten unverzüglich zu stoppen. Nach Angaben des Gerichtssprechers wird der Landkreis über den Inhalt des Schreibens informiert und kann dann seine Position darlegen. Die zuständige Kammer werde danach unter Abwägung der vorgebrachten Argumente entscheiden, wann, wurde nicht mitgeteilt.

Seit Wochen regt sich in der Region heftiger Protest gegen die Errichtung der Flüchtlingsunterkunft. Nach Ansicht der Kritiker ist das Containerdorf viel zu groß für ein Dorf wie Upahl, in dem rund 500 Menschen leben und in dem die erforderliche Infrastruktur fehlt. Zudem wird immer wieder beklagt, dass die Dorfbewohner bei der Entscheidungsfindung nicht beteiligt und so vor vollendete Tatsachen gestellt worden seien. „Es ist wichtig, dass, wenn vor Ort Dinge sich ändern sollen, dass natürlich vorher mit den Bürgerinnen und Bürgern gesprochen wird“, betonte Schwesig.

Bereits am Morgen hatte sie im Deutschlandfunk dem Landkreis nahegelegt, nach Möglichkeiten zu suchen, dass die Unterkunft „nicht so groß ausfällt“. Besser seien mehrere kleinere Unterkünfte, wie dies auch in anderen Landkreisen praktiziert werde, ergänzte Schwesig am Mittag. Das Land gewähre Unterstützung, doch nur im Landkreis wisse man, wo kleinere Einrichtungen geschaffen werden könnten. Sie begrüße daher, dass der zuständige Landrat Tino Schomann (CDU) mit den Bürgermeistern im Kreis dazu im Gespräch sei.

Schomann forderte von Schwesig praktikable Vorschläge, wie er die erwarteten Menschen denn unterbringen solle. Er erklärte, die Unterbringung von bis zu 400 Flüchtlingen im 500-Einwohner-Dorf Upahl sei der Not geschuldet. Seinem Landkreis seien nach Prognosen von Bund und Land wöchentlich 20 bis 30 Flüchtlinge angekündigt. Man brauche Zeit, um dauerhafte Gemeinschaftsunterkünfte für diese Menschen zu errichten. Die Containerunterbringung in Upahl könne diese Zeit schaffen, das habe ihm das Innenministerium bestätigt.

Außerdem fehle es an Betreuungs- und Wachpersonal, um mehrere kleinere Unterkünfte zu betreiben, erklärte der CDU-Politiker. Der Wohnungsleerstand in der Region belaufe sich auf zwei Prozent. Geeignete Bundes- und Landesimmobilien stünden in der Region nicht zur Verfügung. Ein Vorschlag zur Anmietung eines Hotels mit 350 Plätzen in Gägelow bei Wismar habe auch auf dem Tisch gelegen.

„Mit ihren Aussagen fällt Frau Ministerpräsidentin Schwesig ihrem eigenem Innenministerium in den Rücken, welches die Unterkunft Upahl genehmigt hat“, erklärte Schomann. „Vor allem fällt sie aber den Kreistagsmitgliedern der unterstützenden Fraktionen im Kreistag Nordwestmecklenburg in den Rücken, die es sich nicht leicht gemacht haben, diese schwere Entscheidung für den zeitweisen Standort Upahl mitzutragen. Die Alternative wäre die Belegung einer Sporthalle nach der anderen“, so der Landrat.

Dieser Darstellung widersprach Innenminister Christian Pegel (SPD). Landkreise und die kreisfreien Städte würden die Unterbringung der ihnen zugewiesenen Flüchtlinge in eigener organisatorischer Verantwortung gestalten. „Einer Genehmigungspflicht unterliegen diese nicht“, betonte der Minister. Dazu gehöre auch, dass sie selbst entscheiden, wie viele Gemeinschaftsunterkünfte geschaffen werden und wo diese liegen. Da das Land den Kreisen und kreisfreien Städten die Kosten für Unterbringung und Verpflegung vollständig ersetzte, sei eine Abstimmung notwendig, um die Angemessenheit der Kosten zu prüfen.

Schomann forderte das Land auf, für eine zeitweise Entlastung der Kommunen zu sorgen, indem es seine Kapazitäten in den Einrichtungen zur Erstaufnahme erhöhe. Dann bekämen die Kommunen Zeit, ihre Kapazitäten zu erweitern. „Im Vergleich zu 2015/2016 fehlen über 3000 Plätze in den Einrichtungen des Landes“, sagte Schomann. Das Land lehnt bislang eine Aufstockung seiner Erstaufnahme-Kapazitäten ab.

Schwesig kündigte ein Spitzengespräch zwischen Regierung sowie Städte- und Gemeindetag und Landkreistag an. Dabei werde es auch um deren Vorstellungen gehen, die Zuwanderung zu steuern und entsprechende Forderungen an den Bund. „Wir müssen zu einem System kommen, bei dem wir die, die ein Bleiberecht haben und sich auch integrieren, hierbehalten können“, sagte Schwesig. Das schließe schnellere Verfahren ein, nach deren Ende Menschen ohne Bleiberecht, oder solche, die sich nicht an die Regeln halten, das Land auch verlassen. Es gehe um eine geordnete Migration. Doch dürfe das Thema nicht in „einem vergifteten Ton behandelt werden“, mahnte Schwesig.

Schwesigs Koalitionspartner, Die Linke, verwies auf den auch in der Landesverfassung verankerten Anspruch nach Weltoffenheit und solidarischem Miteinander. Das Land müsse seiner humanitären Verantwortung gerecht werden und Zuflucht suchenden Menschen helfen, heißt es in einer Mitteilung des Landesvorstandes. Den aufnehmenden Kommunen müsse bei der Bewältigung dieser Aufgabe aber weiter und stärker Unterstützung gewährt werden. „Auch und vor allem weil aktuell zu beobachten ist, dass es bei vielen Demonstrationen im Land zunehmend nicht mehr gegen überdimensionierte Unterkünfte, sondern generell gegen Flüchtlinge geht“, hieß es weiter.

Die oppositionelle AfD erneuerte ihre Kritik an der Migrationspolitik von Bund und Land. „Es war seit langem absehbar, dass diese realitätsfremde Politik scheitern wird. Schwesig sollte sich im Bund für eine spürbare Reduzierung der Zugangszahlen einsetzen, anstatt Landrat Schomann schlechte Hinweise von der Seitenlinie zu verpassen“, erklärte der AfD-Landtagsabgeordnete Jan-Phillip Tadsen. Sein Fraktionskollege Jens-Holger Schneider nannte Schwesigs Vorschlag zu kleineren Unterkünften unnütz. „Viele kleine Gemeinschaftsunterkünfte würden die Kommunen sogar noch stärker belasten. Die Zahl der Migranten bliebe unterm Strich gleich, die Betriebs- und Bewachungskosten würden aber steigen.“

© dpa-infocom, dpa:230223-99-708215/4

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