Flucht in die Botschaft Ecuadors:Paranoide Züge in Assanges Persönlichkeit

Wikileaks-Gründer Julian Assange hat sich vor seiner Auslieferung nach Schweden in die Londoner Botschaft Ecuador geflüchtet. Diese letzte Episode macht noch einmal deutlich, welche Hybris Assanges Persönlichkeit prägen. Denn das Land, in dem ihn womöglich ein Prozess erwartet, ist keine Bananenrepublik.

Paul-Anton Krüger

Mit großem Aplomb hat sich Julian Assange zum moralischen Richter über die Welt aufgeschwungen. Schnell war er dabei, andere - vor allem die USA - schwerer Verbrechen zu beschuldigen. Jetzt versucht er sich mit der Flucht in die Botschaft von Ecuador in London und dem Antrag auf Asyl einem rechtsstaatlichen Verfahren wegen Vergewaltigung zu entziehen - und dass obwohl er in Schweden bisher nicht mal angeklagt ist. Die Staatsanwaltschaft will Assange zunächst nur vernehmen, um ihre Ermittlungen gegen ihn zu Ende führen zu können und über eine Anklage zu entscheiden.

Diese letzte Episode macht nur noch einmal deutlich, welche Hybris, welch paranoide Züge Assanges Persönlichkeit prägen. Schweden ist keine Bananenrepublik und auch kein willfähriger Erfüllungsgehilfe von US-Geheimdiensten und anderen dunklen Mächten, wie Assange und die schwindende Schar seiner Anhänger insinuieren. Er wird weder dort noch in Großbritannien politisch verfolgt. Absurd mutet es an, dass sich gerade der Prediger der totalen Transparenz einer Vorverurteilung ausgesetzt sieht, weil ein paar Informationen aus den Ermittlungen durchgesickert sind.

Das größte Risiko für Assange in Schweden liegt darin, dass in einem Prozess deutlich werden könnte, dass ihm sein zeitweiser Heldenstatus zu Kopf gestiegen ist, und er die Bewunderung zweier Frauen ausgenutzt hat, weil er sich selbst so unwiderstehlich fand. Eine mögliche Auslieferung in die USA, wo Assange ein Prozess wegen Spionage gemacht werden könnte, wird dagegen nicht wahrscheinlicher, wenn er überstellt wird. Assange ist nicht mehr viel mehr als eine tragische Figur, die dabei ist, ihre letzte Glaubwürdigkeit zu verspielen.

© SZ vom 21.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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