Fleischindustrie:Steak aus der Petrischale

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US-Farmer laufen Sturm gegen "vegetarisches Fleisch". Die Hersteller sollen ihre pflanzlichen Produkte anders benennen.

Von Kathrin Werner

Jess Peterson sieht aus, wie man sich einen Rancher aus Montana vorstellt: Cowboystiefel, schwarzer Filzhut mit breiter Krempe, ernster Blick. Ernst ist ihm auch zumute. "Das Marketing suggeriert, das sei wirklich Fleisch und kein Produkt aus der Petrischale", sagt er. "Etiketten bedeuten viel für die Verbraucher, aber hier geht es um die Wahrheit."

Peterson, Lobbyist des Rinderzüchterverbands Cattlemen's Association, hat eine 15-seitige Petition an das US-Landwirtschaftsministerium verfasst. Es soll Herstellern von Laborfleisch und Pflanzenfleisch verbieten, ihr Produkt "Vegetarisches Fleisch" zu nennen. Fleisch dürfe nur heißen, was "von Tieren stammt, die auf die traditionelle Art geboren, aufgezogen und geerntet wurden", fordern die Rancher. Die neue Konkurrenz macht den Cowboys Angst. Die pflanzlichen Hamburger des Erzeugers Beyond Meat zum Beispiel schmecken und riechen fast genauso wie Fleisch und sehen auch so aus, obwohl sie hauptsächlich aus Erbsenprotein bestehen. Es gibt sie an der Fleischtheke, sie bluten sogar: Rote-Bete-Saft.

Fleisch aus dem Reagenzglas beunruhigt die Rancher noch mehr. Gewonnen aus tierischen Stammzellen, die im Labor vermehrt werden, ist es echtem Fleisch zum Verwechseln ähnlich. Noch gibt es das "clean meat" nicht zu kaufen, aber mehrere Firmen schreiten voran mit der Entwicklung. Das Start-up Just will das erste Laborfleisch schon Ende dieses Jahres anbieten. Memphis Meats hat kürzlich Millioneninvestitionen von dem Agrarkonzern Cargill und den Multimilliardären Bill Gates und Richard Branson erhalten. Branson glaubt, dass die Menschheit in 30 Jahren keine Tiere mehr tötet, um sie zu essen. Die Amerikaner werden zwar in diesem Jahr so viel Fleisch essen wie nie zuvor, im Schnitt rund 100 Kilo pro Person. Das liegt aber vor allem an den niedrigen Preisen. Selbst in den USA geben in einer Studie 60 Prozent der Befragten an, ihren Fleischkonsum reduzieren zu wollen, vor allem, weil die Zucht so viel Wasser, Energie und Land braucht.

Im übernächsten Jahr werden weltweit 5,2 Milliarden Dollar für Fleischersatz ausgegeben, prophezeit der Marktforscher Allied Market Research: 8,4 Prozent mehr als 2015. Geld, das die Rinderzüchter gern behalten würden. Sollte das Agrarministerium ihnen recht geben, könnten die Hersteller von Fleischersatz klagen. Ein Verbot von Begriffen ist nur zulässig, wenn es Verbraucher vor Verwirrung schützt. Und das sei nicht der Fall, glauben die Start-ups, schließlich kauften die Menschen ihre Waren gezielt, weil sie vegetarisch seien.

Nicht zum ersten Mal streiten Lebensmittelerzeuger über Worte: Reisanbauer wollen gegen Reis-Alternativen wie gemahlenen Blumenkohl vorgehen. Milchbauern ärgern sich über Soja- und Mandelmilch, die ihrer Ansicht nach Soja- und Mandeldrink heißen müssten. Selbst das Landwirtschaftsministerium und die Lebensmittelaufsicht debattieren: Soll man etablierte Begriffe verwenden oder auf korrekten Definitionen bestehen? Der Europäische Gerichtshof ist einen Schritt weiter: Er hat 2017 entschieden, dass Lebensmittel mit Rahm, Sahne, Butter, Käse oder Joghurt im Namen aus Milch bestehen müssen. Und Milch werde durch Melken gewonnen.

© SZ vom 28.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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