In Helsinki ging in den vergangenen Tagen nichts mehr. Keine U-Bahn, kein Bus, kein Zug. Die Kindergärten hatten am Donnerstag geschlossen, viele Läden, Hotels und Postfilialen waren auch am Freitag noch zu. Die Fluggesellschaft Finnair musste an den beiden Tagen rund 500 Flüge streichen. In einem der größten politischen Streiks in der finnischen Geschichte forderten mehrere Gewerkschaften die Rücknahme verschiedener Maßnahmen, die die neue Regierung im vergangenen Herbst angekündigt hat. Insgesamt 300 000 Menschen sollen daran teilgenommen haben, was für ein Land mit fünfeinhalb Millionen Einwohnern tatsächlich viel ist.
Die konservative Regierungskoalition hat es zu ihrer wichtigsten innenpolitischen Aufgabe erklärt, die Schulden des Landes zu verringern. Sechs Milliarden Euro sollen in den kommenden Jahren eingespart werden, insbesondere über Kürzungen im Wohlfahrtsbereich. Die Streiks sind nun eine Reaktion auf mehrere Reformen, die Wirtschafts- und Unternehmerverbände allerdings seit Langem gefordert hatten.
Auch das Streikrecht soll geschwächt werden
Es soll Arbeitgebern in Zukunft leichter gemacht werden, Angestellte zu entlassen. Am ersten Krankheitstag wird das Gehalt nicht mehr weitergezahlt, sofern im Tarifvertrag nichts anderes vereinbart ist. Drittens soll das Streikrecht geschwächt werden: Die Regierung will die maximale Dauer politischer Demonstrationen auf einen Tag begrenzen, als "unverhältnismäßig" geltende Unterstützungsstreiks verbieten und die Geldstrafen für illegale Streiks erhöhen. Außerdem hat das Parlament bereits im Dezember Kürzungen bei der Arbeitslosenversicherung beschlossen.
Die Gewerkschaften fürchten einen massiven Anstieg der sozialen Ungleichheit, schließlich soll Geringverdienenden auch der Wohngeldzuschuss gestrichen werden, was in den größeren Städten die Segregation und andere Gentrifizierungsdynamiken drastisch verstärken dürfte. Gleichzeitig zu den Kürzungen wurden Steuererleichterungen für die Besserverdienenden angekündigt.
Die Streiks finden in einer ohnehin recht labilen Situation statt. Finnland fühlt sich von Russland bedroht. Vor der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen am vergangenen Sonntag war diese Angst vor dem östlichen Nachbarn fast mit Händen zu greifen. Daneben ging es in den Debatten immer wieder darum, dass das Land ideologisch wie ökonomisch immer stärker auseinanderdrifte. Alexander Stubb von der regierenden Sammlungspartei und der grüne ehemalige Außenminister Pekka Haavisto qualifizierten sich für die Stichwahl am 11. Februar. Beide äußern sich nur verhalten zu den Streiks, kämpfen sie doch besonders um die Wähler der moderaten Mitte.

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Premierminister Petteri Orpo von der konservativen Sammlungspartei nannte die Streiks "übertrieben und unvernünftig", hätten sie doch "große Verluste für die finnische Volkswirtschaft" zur Folge. Orpo hatte Anfang des Jahres bekannt gegeben, die Wirtschaftsdaten hätten sich so eingedunkelt, dass die bisher verkündeten Einsparungen vermutlich nicht reichen werden.
Mehrere Gewerkschaften kündigten am Freitag weitere Streiks für den Februar an.