FDP vor der Landtagswahl in Niedersachsen:Rösler kämpft gegen die liberalen Besserwisser

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FDP-Chef Philipp Rösler wird wegen der Niedersachsenwahl nicht aufgeben: Er will nicht als Gescheiterter abtreten. (Foto: dpa)

Wer glaubt, die Wahl in Niedersachsen werde die politische Karriere von Phillipp Rösler beenden, könnte sich irren. So schnell will der FDP-Chef nicht aufgeben. Warum auch? Die wahren Dilettanten in seiner Partei sind ohnehin jene, die ihn wegputschen wollen.

Eine Analyse von Thorsten Denkler, Berlin

Es gibt einige in der FDP, die wünschen sich einen miesen Wahlsonntag. Vielleicht 4,8 oder 4,9 Prozent in Niedersachsen. Jedenfalls weniger als fünf Prozent. Nur dann nämlich wären sie Philipp Rösler sicher los, ihren glücklosen Parteichef.

Wer sich umhört in der FDP, der könnte glauben, Röslers Abgang sei längst beschlossene Sache. "Der kann es nicht", ist wohl der am häufigsten gebrauchte Satz. Er sei ein netter Kerl, aber eben kein Parteichef. Er habe nicht verstanden, dass es im Bund anders zugehe als im beschaulichen Niedersachsen, wo Rösler politisch groß geworden ist. Das sagen Abgeordnete, Bundesvorstandsmitglieder, Präsidiumsmitglieder.

Am Donnerstag hat Rösler im Bundestag eine Regierungserklärung abgegeben. Er hat kein Aufsehen erregt, den Nachrichtenagenturen war die Rede wenige Zeilen wert. Würde Rösler nach der ersten Hochrechnung am kommenden Sonntag von allen Ämtern zurücktreten, kaum jemand würde ihm eine Träne nachweinen. Er ist vom Hoffnungsträger zum Problemfall geworden - in nicht einmal zwei Jahren.

Dabei ist Rösler für die Misere gar nicht allein verantwortlich. Es war Guido Westerwelle, sein Vorgänger, vor dem die Partei kuschte. Der sie autoritär führte. Bis an den Abgrund. Westerwelle hatte die FDP 2009 mit wahnwitzigen Steuersenkungsversprechen auf 14,6 hochgedopt. Und sie danach auf unter fünf Prozent geschrumpft. Reihenwiese flog die FDP aus den Landesparlamenten.

Immerhin, Westerwelle hatte noch ein Thema: Steuern. Und er hatte bis kurz vor Schluss noch Rückhalt in der Partei. Rösler hat nichts mehr. In den Umfragen steht er mit der FDP noch schlechter da als Westerwelle. Er hat keinen erkennbaren Rückhalt in der Partei und kein Thema, das mit ihm verbunden wird.

Mittwoch, Bundespressekonferenz. Rösler stellt den Jahreswirtschaftsbericht 2012 vor. Er ist ja auch Wirtschaftsminister. Er wollte dieses Amt, hat es Rainer Brüderle entrissen in der Hoffnung, dass es mit dem Posten des Parteichefs besser zu verbinden sei als sein bisheriges Amt des Gesundheitsministers.

Rösler wirkt fad und wächsern

Brüderle wollte nicht weichen. Weil ihm sein Amt auf den Leib geschneidert schien. Brüderle ist das, was manche als geborenen Wirtschaftsminister beschreiben würden. Der mit 39 Jahren immer noch jugendliche Rösler wirkt dagegen neben den Wirtschaftsbossen der Nation und der Welt fad und wächsern. Irgendwie fehl am Platz.

In der Bundespressekonferenz liest er ab, was ihm seine Leute aufgeschrieben haben. Dem Land gehe es gut. Die Arbeitslosigkeit sinke. Für dieses Jahr würden zwar nur 0,4 Prozent Wachstum erwartet werden. Aber das mache nichts, der Trend zeige nach oben. Ein Routinetermin, den er routiniert abwickelt. Er sitzt da, der Kopf hängt zwischen den Schultern und macht sich nicht mal im Ansatz die Mühe, den erwarteten Zahlen mit Stimme und Betonung noch etwas Spannung mitzugeben. Es scheint ihn selbst nicht sonderlich mitzureißen, was er da liest.

Das wäre wohl auch nur halb so schlimm, würde nicht am Sonntag in seinem Heimatland Niedersachen der Landtag gewählt werden. Da wird erwartet, dass einer wie Rösler kämpft. Zumal es auch um seine berufliche Zukunft geht.

Das Einzige, das Rösler an diesem Morgen bekämpft, ist der Versuch von Journalisten, ihm ein paar Sätze zum neuen Umfragetief von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück entlocken. Oder wenigstens seine Prognose zum Wahlausgang.

"Hier geht es um den Jahreswirtschaftsbericht", kanzelt er die Journalisten ab. Da gehe es um eine "positive Botschaft". Er wolle nicht, dass Steinbrück in diesem Zusammenhang eine Rolle spiele.

Angefasst wirkt er da. Überreizt. Er weiß ja, dass in der Bundespressekonferenz Fragen zu allen Themen zulässig sind. Echte Wahlkämpfer hätten sich diese Chance nicht entgehen lassen. Rösler erkennt nicht mal, dass es eine Chance war.

Ob und unter welchen Bedingungen Rösler zurücktreten würde am Sonntag, das weiß wohl nur er selbst. Vielleicht bleibt er auch einfach. Aus Pflichtgefühl womöglich. Sein Vater war Soldat, er hat ihn unter Soldaten alleine aufgezogen. "Mein Vater sagt immer: 'Eigentlich bist du preußisch durch und durch, auch wenn du nicht so aussiehst'", hat Rösler dem Stern verraten. Rösler weiß, was es bedeutet, eine Pflicht zu übernehmen. Er hat das mal so gesagt: Ein Bambus biegt sich im Wind, aber er bricht nicht. Aufgeben ist da keine Option.

Und er weiß, was andere in der Partei offenbar vergessen haben: Ein Wechsel an der Spitze wird die Partei nicht unbedingt zu einer besseren machen. Es gibt nur wenige, wie die frühere Fraktionschefin Birgit Homburger, die auf diesen Umstand immer mal wieder hinweisen. Der erzwungene Wechsel von Westerwelle zu Rösler hat das bisher eindrucksvoll bestätigt.

Nur ein Putsch könnte ihn aus dem Amt fegen

Wenn die FDP aus dem niedersächsischen Landtag fliegt, dann weiß Rösler, was er noch am Abend zu tun hat. Wenn sie aber drin bleibt, wenn auch nur knapp, dann scheint Rösler bleiben zu wollen. Nur ein Putsch auf dem Bundesparteitag im Mai könnte ihn dann aus dem Amt fegen.

Aber wer soll den Putsch führen? Brüderle will das nicht. Sich rufen lassen, wenn die Not groß ist, das würde er wohl tun. Am liebsten von Rösler selbst. Aber selber die Putschisten führen, das ist nicht seine Art.

Bis vor dem Dreikönigstreffen der Liberalen in Stuttgart hätten einige auf Westerwelles früheren Generalsekretär Dirk Niebel als Königsmörder getippt. Der Entwicklungshilfeminister hat dort dann viel zu früh schnelle Entscheidungen angemahnt, weil ihn der Zustand der Partei innerlich zerreiße. Das war so plump und wenige Woche vor einer Landtagswahl so ungeschickt, dass er froh sein kann, wenn er das Jahr politisch überlebt.

Rösler ist ein netter Mann. Zu nett für die Politik, sagen manche. Zuweilen ist er geradezu kindlich. Etwa wenn er auf Auslandreisen seine Kamera zückt und mit großen Augen Sehenswürdigkeiten fotografiert.

Aber sein Ehrgeiz wird unterschätzt. Er will nicht als Gescheiterter abtreten. Darum will er, wenn es geht, die Partei in die Bundestagswahl führen, sie irgendwie in Fraktionsstärke dort wieder hineinbringen. Das wäre aus heutiger Sicht an sich schon eine kleine Sensation.

Danach kann er in Ruhe gehen und die Partei denen überlassen, die es immer schon besser gewusst haben. Aber zu feige waren, nach Westerwelles Abgang selbst Verantwortung zu übernehmen.

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