FDP:Spagat der Liberalen

Lesezeit: 2 min

Der Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) fiel schon öfter durch provokante Äußerungen auf. Auch jüngst löste er mit einer Aussage über Merkel eine parteiinterne Debatte aus. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Nach der umstrittenen Aussage von Wolfgang Kubicki über Merkels Flüchtlingspolitik soll nun ein Acht-Punkte-Papier den Schaden für die Partei begrenzen.

Von Daniel Brössler, München

Soviel vom Delinquenten be-kannt ist, ist er sich keiner allzu großen Schuld bewusst. Zur Klausur der FDP-Fraktion nach der Sommerpause ist Bun-destags-Vizepräsident Wolfgang Kubicki zwar wegen einer Dienstreise nicht er-schienen, aber per Interview hat er wissen lassen, er habe "nichts Grenzwertiges" ge-sagt. Einen Grund, sich bei Bundeskanzle-rin Angela Merkel zu entschuldigen, gebe es nicht. Gesagt hatte Kubicki, "die Wurzeln" in den Chemnitzer Ausschreitungen lägen im "Wir schaffen das" der Kanzlerin. Diese Wortwahl sei "unglücklich" gewesen, räumte Kubicki in der Rhein-Neckar-Zeitung ein, und natürlich sei Merkel "mitnichten schuld daran, dass in Chemnitz der rechte Mob mit Hitlergruß durch die Stadt gezogen ist, Naziparolen brüllt und Menschen gejagt hat".

Kubicki habe damit selber "seine missverständliche Formulierung aus dem Verkehr gezogen und eingeordnet", sagte FDP-Chef Lindner am Mittwoch nach der Frak-tionsklausur. Genügt hat den FDP-Abgeordneten das als Klarstellung aber nicht. Zwei Stunden lang diskutierten sie über die Ereignisse in Chemnitz. Ein Acht-Punkte-Papier soll nun den Schaden begrenzen, den etliche Liberale durch die Äußerungen Kubickis entstanden sehen. "Die Eskalation muss jede und jeden erschrecken, der die Sorge um eine offene Gesellschaft und um die Akzeptanz eines freiheitlichen Rechtsstaates teilt", heißt es da. "Hetze, Gewalt und Einschüchterung" hätten in einer demokratischen Gesellschaft keinen Platz.

Erkennbar werden da die Fluchtbewegungen aus jener Ecke, in die Kubicki mit seinen Äußerungen nicht zum ersten Mal die Partei zu rücken scheint. In der AfD sehe die FDP ihren "schärfsten Gegner", stellte Lindner noch einmal klar. Um ihr nicht weitere "Energie" zuzuführen, empfehle er weniger Empörung als "nüchterne Zurückweisung". Das Acht-Punkte-Papier dokumentiert allerdings auch den Spagat der Liberalen. "Es kann niemals eine Rechtfertigung für Gewalt, Hetze und Straftaten geben", heißt es einerseits unter Punkt fünf. Das kann noch mal als Zurechtweisung Kubickis verstanden werden. Andererseits achtet Lindner darauf, einen schwelenden Konflikt nicht außer Kontrolle geraten zu lassen. Schon als Kubicki sich beim jüngsten Parteitag mit seiner Forderung nach einer Lockerung der Russland-Sanktionen in eine krasse Minderheitenposition manövriert hatte, half ihm Lindner mit versöhnlichen Gesten, das Gesicht zu wahren.

Wenn er will, kann Kubicki auch das Chemnitz-Papier zum Teil als Bestäti-gung lesen. "Das politische Klima in Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren auch durch die Flüchtlingskrise polarisiert", heißt es im Papier. Auch falsche politische Entscheidungen und Unterlassungen hätten dazu beigetragen, "dass es solche verschärften und verrohten Debatten gibt", fügte Lindner hinzu. Das gefährde auch die Akzeptanz dringend benötigter Einwanderung.

Kritik will die FDP nicht nur an rechter Radikalisierung üben. Eine Polarisierung sei am "rechten wie am linken Rand" zu beobachten.

© SZ vom 06.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: