FDP: Parteitag in Rostock:Liberale Frauen proben den Aufstand

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Das Grummeln in der FDP geht weiter: Ein Votum über Westerwelle kann gerade noch verhindert werden. Der Streit über eine Frauenquote ist dagegen voll entbrannt. Hinzu kommen miese Umfragewerte: Die Mehrheit der Deutschen hält die Liberalen für nicht regierungsfähig.

Thorsten Denkler, Rostock

Es war ein Scherz, viele haben gelacht. Ein kleiner Witz auf eigene Kosten, was viel aussagt über diese neue FDP. Die an diesem Wochenende auf dem Parteitag in Rostock aus der Taufe gehoben werden soll. Eine FDP, die trotz Krise auch mal über sich selber lachen kann. Das hat es seit einem gefühlten Jahrtausend nicht gegeben.

Philipp Rösler traf bei strömendem Regen in Rostock ein. Dem designierten FDP-Chef droht auf dem Bundesparteitag Ärger. (Foto: dapd)

Es ist Christian Linder, der Generalsekretär, der den Witz macht. Er eröffnet am Donnerstagabend den Presseempfang der FDP zum Parteitag auf den Treppenstufen, die hinabführen in den ehrwürdigen Ratskeller des Rostocker Rathauses. "Willkommen bei den Liberalen", ruft er den Gästen zu. "Willkommen im - Keller!"

Das sind sie tatsächlich, die Liberalen. Nach eineinhalb Jahren schwarz-gelber Bundesregierung ist die FDP inhaltlich und personell am Boden. Mehr als 86 Prozent der Teilnehmer einer Umfrage des ARD-Deutschlandtrends sehen die FDP derzeit zu sehr mit sich selbst beschäftigt als mit den Problemen des Landes. 61 Prozent halten sie schlicht für nicht regierungsfähig. In den meisten Meinungsumfragen liegt die Partei deutlich unter der Fünf-Prozent-Hürde.

Unbeliebt, unsympathisch, FDP. Mit dieser Partei will freiwillig kaum noch einer etwas zu tun haben.

So konnte es nicht mehr weitergehen. Nach den desaströsen Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt begann eine mühsamer Prozess, der mit personeller Erneuerung nicht völlig korrekt wiedergegeben ist. Es sind schließlich alle noch da. Nur auf anderen Positionen.

Das einzige neue Gesicht in der ersten Reihe ist Daniel Bahr, der neue Gesundheitsminister. Er folgt Philipp Rösler nach, der auf diesem Parteitag zum neuen Vorsitzenden gewählt werden soll. Diese Woche schaffte es Rösler, sich auf den letzten Drücker das Amt des Wirtschaftsministers zu sichern. Er hat damit ein paar Bedenken entkräftet, er habe nicht die nötige Durchsetzungskraft.

Rainer Brüderle, bisher in diesem Amt, wechselt - widerwillig, aber froh über die neue Machtfülle - auf den Fraktionsvorsitz. Seine Vorgängerin Birgit Homburger wird mit einem Posten der Parteivize abgespeist, darf aber weiter am Koalitionsausschuss teilnehmen.

Jetzt soll endlich alles wieder gut werden. Selbst Guido Westerwelle steht unter Artenschutz. Er soll Außenminister bleiben können. Der frisch gebackene Fraktionsvize Martin Lindner, Prototyp des neoliberalen Fieslings und bekennender Westerwelle-Hasser, hatte sich unbeliebt gemacht, weil er die Zukunft Westerwelles auf dem Parteitag zur Abstimmung stellen wollte. Er hat sogar prompt Unterstützung aus Baden-Württemberg für die Idee bekommen.

Viele Parteifeinde haben Lindner ordentlich in die Mangel genommen. Am Donnerstag zog er den Antrag zurück, den er jetzt angeblich nie gestellt haben will.

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Schräg, scharf oder unfreiwillig komisch: Seit seinem Antritt als FDP-Chef vor zehn Jahren klopft Guido Westerwelle markige Sprüche. Die Auswahl belegt: Der Mann bleibt sich treu.

Sauer sind auch die Frauen. Auf Martin Lindner im Speziellen und auf die wirtschaftsliberale Männer-Clique des mächtigen Schaumburger Kreises im Allgemeinen. Die Schaumburger hatten einander bei den Wahlen zum Fraktionsvorstand nahezu alle wichtigen Posten zugeschanzt.

Lindner hat mit seiner erfolgreichen Kampfkandidatur gegen die sozialliberale Miriam Gruß auch noch eine der letzten Frauen aus dem Fraktionsvorstand gekegelt. Eine der beiden verbliebenen Frauen, Claudia Winterstein, ist ebenfalls bei den Schaumburgern.

Widerstand kommt von den Liberalen Frauen. Allen voran von deren Bundesvorsitzenden Doris Buchholz, einer energischen Rechtsanwältin aus dem saarländischen Sulzbach. Sie haben einen Antrag eingebracht, der eine Frauenqoute in der FDP vorsieht - eine Revolution.

Die Antragskomission suchte daraufhin mit viel Akribie nach Fehlern in dem Satzungsantrag - und wurde fündig: Wegen eines Formfehlers könne über den Antrag nicht abgestimmt werden, hieß es.

Generalsekretär Christian Linder wurde daraufhin überschüttet mit SMS, Mails und Briefen von Frauen aus Fraktion und Partei, die ihm erklärten, dass es so nicht gehe. Ihr wichtigstes Argument: Wenn dieser Antrag nicht behandelt werde, dann sei das genau die alte FDP Westerwell'scher Prägung, in der jede offene Debatte unterdrückt worden sei. Diese FDP will keiner mehr haben.

Jetzt sieht sich der designierte Parteichef Rösler genötigt, jede Bewerbung einer Frau für Präsidium und Parteivorstand unter persönlichen Schutz zu stellen. Mit Birgit Homburger und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger bekommt er zwei Stellvertreterinnen. Holger Zastrow, Sachsens Landeschef, soll als Vize den Osten repräsentieren.

Mit ein paar mehr Frauen im Bundesvorstand aber wird die Männerpartei FDP nicht weiblicher. Dem Vernehmen nach soll der Quoten-Antrag jetzt zumindest behandelt, aber möglicherweise nicht abgestimmt werden. Frauen-Chefin Bucholz erklärt: "Das bleibt auf der Tagesordnung. Dann stellen wir ihn eben auf dem nächsten Parteitag 2012 erneut."

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