FDP-Bundesparteitag in Berlin:"Das kann man als Freier Demokrat nicht durchgehen lassen"

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Die Delegierten machten beim 74. Ordentlichen Bundesparteitag der FDP deutlich, dass ihnen das Heizungsgesetz der Ampel Bauchschmerzen bereitet. (Foto: IMAGO/Achille Abboud/IMAGO/Achille Abboud)

Die FDP-Basis arbeitet sich auf ihrem Parteitag an Minister Habecks Heizungsgesetz ab. Dennoch signalisiert die Partei, dass sie ihr Heil in der Ampel nicht in der Fundamentalopposition sucht - sondern im Spagat.

Von Henrike Roßbach, Berlin

Für den Ausdruck von Unwohlsein in einer Partei sind bei Parteitagen häufig gerade nicht die Promis zuständig, sondern die unbekannten Delegierten von der Basis. Am Freitag, beim Bundesparteitag der FDP, ist das ein gewisser Kay Rösler. Als der Delegierte aus Thüringen ans Rednerpult tritt, kommt er schnell zum Gebäudeenergiegesetz von Klimaminister Robert Habeck (Grüne), das vom kommenden Jahr an den Einbau neuer Gas- und Ölheizungen faktisch verbietet.

"Ich hab' ja nichts dagegen, wenn man sich eine Wärmepumpe einbaut", sagt Rösler bei seiner Wortmeldung, "aber ich habe was dagegen, dass man es den Menschen so scharf vorschreibt und sagt: Ab nächstem Jahr muss das so sein!" So, wie dieses Gesetz geplant sei, könne man das "als Freier Demokrat nicht durchgehen lassen," findet er, man könne "so nicht zustimmen".

Genau das aber hat Parteichef und Bundesfinanzminister Christian Lindner zwei Tage zuvor getan: Am Mittwoch ließ er im Kabinett dem umstrittenen Regierungsentwurf passieren - wenn auch nur mit einer Protokollerklärung, dass die Pläne im parlamentarischen Verfahren noch verändert werden sollten. Auch auf dem Parteitag, ein paar Stunden vor dem Auftritt von Kay Rösler, betont Lindner, dass der Entwurf noch nicht das sei, "was am Ende vom Bundestag beschlossen werden sollte". Gleichzeitig aber sagt er auch: "Wenn wir 2045 ein klimaneutrales Land sein wollen, werden wir irgendwann anfangen müssen, auch im Gebäudebereich zu Veränderungen und zu Fortschritt zu kommen." So leicht wie CDU und CSU könne es sich die regierende FDP nicht machen, "denn wir stehen in Verantwortung".

Stimmungmache gegen das "Heizungsverbotgesetz"

Das könnte natürlich viele in der FDP zur Widerrede anstacheln. Tatsächlich aber markiert der Auftritt von Kay Rösler auf dem Parteitag fast schon den Höhepunkt an Gegenwehr. Jedenfalls bis Frank Schäffler am späten Samstagnachmittag auftritt und für seinen "Dringlichkeitsantrag D004" wirbt. Schäffler, FDP-Bundestagsabgeordneter, Finanzpolitiker und spätestens seit der Euro-Krise enfant terrible der Fraktion, richtet seinen Antrag dezidiert gegen die Stoßrichtung von Habecks Gebäudeenergiegesetz, das er wahlweise "Heizungsverbotsgesetz" oder "ökonomischen Unsinn" nennt.

Faktisch "bittet" die FDP in diesem Antrag die Bundestagsfraktion, sich bei der Beratung des Gesetzentwurfs für drei Grundsätze einzusetzen: Für den Gebäudesektor sollen die Klimaschutzziele primär über den Emissionshandel erreicht werden, nicht über detaillierte, sich auf einzelne Technologien beziehende ordnungsrechtliche Eingriffe. Es soll zudem auf finanzielle Anreize gesetzt werden, "statt auf kurze Frist Millionen von Eigentümerinnen und Eigentümern zu enormen Ausgaben zu zwingen". Und schließlich müsse der Staat erst die richtigen Bedingungen für eine klimafreundliche Infrastruktur schaffen, bevor er "den Bürgerinnen und Bürgern detaillierte Vorgaben für ihre Heizungskeller macht".

Eine Spezialität von FDP-Parteitagen ist das "Alex-Müller-Verfahren". Es bedeutet, dass die Delegierten selbst entscheiden, welche Anträge sie wichtig finden; die werden dann zuerst beraten. Schäffler und seine Unterstützer haben sich, wie Fraktionsvize und Energieexperte Lukas Köhler es auf dem Parteitag nennt, "hochgemüllert": Ihr Dringlichkeitsantrag sichert sich die meisten Stimmen und damit eine Pole-Position für den Antragsmarathon am Samstagnachmittag. Unterschrieben haben ihn rund 80 Delegierte, darunter Parteivize Wolfgang Kubicki, der bayerische Spitzenkandidat Martin Hagen, die Energiepolitiker Köhler und Michael Kruse und der baden-württembergische Landeschef Michael Theurer.

Antrag mit Ventilfunktion

Tatsächlich macht der Parteitag dann durchaus deutlich, dass er den Ampel-Kompromiss zum Gebäudeenergiegesetz für schwer verdaulich hält: Der Schäffler-Antrag wird mit kleineren Änderungen angenommen. Zusätzlich wird die Haltung der Partei zum Heizungsgesetz auch in den Leitantrag des Bundesvorstands gehievt. "Das Gebäudeenergiegesetz bedarf großer Änderungen, um mit den Zielen und Werten der Freien Demokraten in Einklang gebracht zu werden", heißt es darin nun. Klimaschutz solle "technologieoffen betrieben werden, sich finanziell lohnen" und dürfe nicht "zu einer Enteignung von Eigentümern und Mietern durch die Hintertür" führen. Man werde "dieses Gesetz auf Bezahlbarkeit, Praxistauglichkeit und Technologieoffenheit hin trimmen".

Doch letztlich hat das sich Abarbeiten am Heizungsgesetz auf dem Parteitag auch eine Art Ventilfunktion. Denn alles in allem zeigt dieses Wochenende, dass die FDP ihr Heil derzeit nicht in der regierungsinternen Fundamentalopposition sucht - sondern im Spagat. So warnt Generalsekretär Bijan Djir-Sarai am Samstag vor einer "Sackgasse der Verbotskultur" beim Klimaschutz und sagt: "Das Philosophieren über Nullwachstum und Wohlstandsverzicht mag links-grüne Stuhlkreise faszinieren, für uns ist es aber definitiv kein Zukunftsmodell." Gleichzeitig gibt Fraktionschef Christian Dürr am Freitag zur Frage, ob das ganze Heizungstrara wirklich notwendig sei, zu Protokoll: "Das ist notwendig. Nichtstun ist für Deutschland nämlich keine Option mehr". Das klingt fast schon zu grün, um wahr zu sein - und tatsächlich will Dürr auch vor allem Richtung Union sticheln, unter deren Führung das Land 16 Jahre lang "zu langsam" geworden sei.

"Ich finde es so wichtig, dass wir dabei sind", sagte Dürr dann noch über die Ampel. Und, gemessen am insgesamt mäßigen Grummeln des Parteitags, kann man fürs Erste zu dem Schluss kommen: Die Mehrheit in der FDP sieht das genauso.

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