Familienrichter:"Learning by Doing" auf heiklem Gebiet

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Gerichtsentscheidungen können massive Auswirkungen auf das Leben von Eltern und Kindern haben. Die Richterausbildung wird dem nicht gerecht. (Foto: dpa)
  • In familiengerichtlichen Verfahren werden Entscheidungen getroffen, die oft erhebliche Auswirkungen auf das weitere Leben von Kindern und ihren Eltern haben.
  • Trotzdem müssen hier oft junge Familienrichter Entscheidungen treffen, auf die sie nicht ausreichend vorbereitet wurden.
  • Experten beklagen das "Learning by Doing". Sie fordern umfassende Schulungen und Qualifikationen auch auf außerjuristischen Gebieten.

Von Edeltraud Rattenhuber, Brühl

Wie wird man eigentlich Familienrichter? Häufig so wie Jürgen Rudolph. Der mittlerweile pensionierte Familienrichter aus Koblenz wurde einst von seinen Kollegen am Amtsgericht dazu verdonnert und fühlte sich sogleich überfordert. Vielen anderen Familienrichtern ging es genauso.

Wenn sie von der Uni kämen, seien Juristen "familienrechtliche Laien", kritisiert der Berliner Rechtsprofessor Rüdiger Ernst in einer Stellungnahme zu einer Anfrage der Grünen-Fraktion, über die diese Woche der Rechtsausschuss des Bundestages beraten will. Familienrecht schon im Studium, fachliche Einarbeitung an den Gerichten, Fortbildung? An vielen Gerichten gibt es das nicht. Das wurde auch beim Deutschen Familiengerichtstag (DFGT) in Brühl wieder beklagt.

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Die DFGT-Vorsitzende Isabell Götz sagte, es werde "zunehmend schwieriger", Kolleginnen und Kollegen für das Familienrecht zu begeistern, ein Rechtsgebiet, das sich in Richterkreisen ohnehin keiner allzu großen Beliebtheit erfreue, wie sie einräumte.

Götz appellierte an die Justizverwaltung, den Arbeitsplatz Justiz insgesamt attraktiver zu gestalten - und zwar auch dadurch, dass sie Neulinge in dem komplizierten und höchst sensiblen Familienrecht nicht allein auf "ein Learning by Doing" und den guten Willen der "alten Hasen" verweise, sondern diese sich auf eine umfassende Schulung verlassen könnten. Im Jurastudium ist Familienrecht nicht vorgeschrieben, zudem sei es "ein Fachgebiet, für dessen Bewältigung es zusätzlicher Qualifikationen auf außerjuristischen Gebieten bedarf", so Götz.

Schon lange wird darüber geklagt, dass Familienrichter vom ersten Tag, an dem sie dazu bestellt wurden, unter Umständen in hoch sensiblen Verfahren Eilentscheidungen zu Inobhutnahmen oder freiheitsentziehenden Maßnahmen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie fällen müssen. Denn kaum ist man im Amt, arbeitet man Aktenberge ab. Andere haben es da einfacher. Richter beklagten in Brühl, ein Kollege, der das Steuerreferat übernehme, werde erst einmal ein paar Wochen in Schulungen geschickt.

Ein Familienrichter erhält vom ersten Tag an Härtefälle

Als Familienrichter dagegen stehe man von Anfang an im Einsatz. Zwar kündigte Ministerialdirektorin Ruth Schröder vom Justizministerium in ihrem Grußwort an, das Fortbildungsangebot für Familienrichter solle im Zuge des "Pakts für den Rechtsstaat" evaluiert und verbessert werden. Doch das geht vielen zu langsam.

Die Grünen im Bundestag beklagen in ihrem Antrag, die Bundesregierung sei "nach wie vor untätig" - trotz des einstimmigen Bundestagsbeschlusses vom Juli 2016 zur Erhöhung der Qualifikationsanforderungen. In familiengerichtlichen Verfahren werden Entscheidungen getroffen, die oft erhebliche Auswirkungen auf das weitere Leben von Kindern und ihren Familien haben. Dass die Qualität dieser Verfahren verbessert werde, sei daher dringlich und werde allseits unterstützt.

© SZ vom 23.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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