Fall Sami A.:Erst abschieben, dann nach Folter fragen

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NRW-Flüchtlings- und Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) und Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). (Foto: dpa)

Nach der rechtswidrigen Abschiebung des Islamisten nach Tunesien dauert es drei Tage, ehe Berlin sich erkundigt, ob Sami A. dort gefoltert wird. Aus der FDP kommt erneut Kritik am Bundesinnenminister.

Von Mike Szymanski, Berlin

Erst drei Tage nach der unrechtmäßigen Abschiebung von Sami A. nach Tunesien hat sich die Bundesregierung um die Bestätigung bemüht, dass dem Mann, der als islamistischer Gefährder eingestuft wird, in seinem Heimatland keine Misshandlung droht.

Auf eine Anfrage des FDP-Politikers Stephan Thomae teilte das Auswärtige Amt mit, die deutsche Botschaft in Tunis habe sich am 16. Juli mündlich und am 17. Juli schriftlich per Verbalnote nach dem Verbleib und Gesundheitszustand von Sami A. erkundigt. Zudem habe man nach den "justiziellen Maßnahmen" gefragt, die ergriffen worden seien. Die Botschaft habe die Bestätigung eingefordert, dass Sami A. "keine Folter oder sonstige Misshandlung" drohe.

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Der Tunesier und mutmaßliche Ex-Leibwächter von Osama bin Laden hätte nicht in sein Heimatland abgeschoben werden dürfen. Das Oberverwaltungsgericht in Münster äußert schwere Kritik an den Behörden.

Am 2. August hat die Botschaft - abermals per Verbalnote - angefragt, ob die tunesischen Behörden bereit seien, Sami A. nach Deutschland ausreisen zu lassen. Dies sei auch Gegenstand eines Gesprächs vom 6. August gewesen, das der deutsche Botschafter mit dem tunesischen Außenministerium führte. Am 20. August - nach den Gerichtsurteilen zur unrechtmäßigen Abschiebung - fasste die Bundesregierung per Verbalnote noch einmal nach, erinnerte an die bisherigen Anfragen und bat um zeitnahe Beantwortung.

Dem FDP-Rechtsexperten genügt das alles nicht. "Man hat nicht das Gefühl, dass die Bundesregierung die Causa Sami A. zur Chefsache gemacht hat", sagte Thomae der Süddeutschen Zeitung. Er wundere sich, warum lange Zeit nur auf Ebene der deutschen Botschaft versucht worden sei, Einfluss zu nehmen - und überhaupt erst so spät. Sein Parteikollege Joachim Stamp, Nordrhein-Westfalens Integrationsminister, ist politisch heftig wegen der Abschiebung unter Druck geraten.

Das Ausländeramt Bochum und das Ministerium von Minister Stamp hatten die Abschiebung am 13. Juli veranlasst, obwohl das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen dies am 12. Juli untersagt hatte, weil Sami A. in Tunesien womöglich Folter drohe. Der Beschluss wurde jedoch erst zugestellt, als Sami A. schon unterwegs nach Nordafrika war. Es steht der Vorwurf im Raum, er habe die Gerichte getäuscht.

In der FDP sieht man vor allem Berlin in der Verantwortung, die Situation jetzt rasch zu bereinigen, Außenminister Heiko Maas (SPD) und Innenminister Horst Seehofer (CSU) hätten sich "dringlichst" um die Zusicherung zu bemühen, dass Sami A. in Tunesien nicht gefoltert werde. Stamp hatte vergangene Woche erklärt, er sei "zutiefst enttäuscht", dass Innenminister Horst Seehofers (CSU) "vollmundigen Ankündigungen, das zur Chefsache zu machen", keine Taten gefolgt seien. Andere FDP-Spitzenpolitiker warfen Seehofer "Versagen" vor.

© SZ vom 23.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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