Fall Anna Politkowskaja:Moskauer Justiz präsentiert Mordverdächtige

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Für die russische Staatsanwaltschaft ist der Mord an der regierungskritischen Journalistin aufgeklärt: Sie sieht russische Exilanten als die Auftraggeber - und schließt hochrangige Persönlichkeiten aus Russland selbst als Drahtzieher aus.

Daniel Brössler

Der Mord an der russischen Journalistin Anna Politkowskaja ist nach Angaben der Moskauer Staatsanwaltschaft aufgeklärt. Sie meldete am Montag die Festnahme von zehn Verdächtigen, darunter auch eines Mitarbeiter des russischen Geheimdiensts FSB.

Anna Politkowskaja (Archivbild vom 28.04.2005) (Foto: Foto: dpa)

Auftraggeber sollen im Exil lebende Russen gewesen sein, sagte Generalstaatsanwalt Jurij Tschaika. Tschaika informierte zunächst Kremlchef Putin über den Fahndungserfolg und trat danach vor die Moskauer Presse.

"Kräfte im Ausland, die Russland schaden wollten"

"Hinter dem Mord an Anna Politkowskaja stehe eine von einem Tschetschenen angeführte kriminelle Organisation, sagte er. Der Ring habe sich auf Auftragsmorde spezialisiert. So werde die Moskauer Gruppe auch mit dem Mord an dem US-Journalisten Paul Klebnikow 2004 in Verbindung gebracht.

Unter den Festgenommenen befinden sich nach Tschaikas Angaben vier Angehörige der dem Innenministerium unterstellten Miliz sowie ein Mitarbeiter des Inlandsgeheimdienstes.

Ich muss leider mitteilen, dass auch frühere und derzeitige Angehörige des Innenministeriums und ein Oberst des Föderalen Sicherheitsdienstes (FSB) sich daran beteiligt haben, Politkowskaja auszuspähen. Auch sie wurden verhaftet", sagte Tschaika.

Ungeachtet der Festnahme von Sicherheitskräften trat Tschaika entschieden Vermutungen entgegen, die international bekannte Reporterin könnte im Auftrag führender russischer Persönlichkeiten ermordet worden sein. Die Ermittlungen hätten zweifelsfrei erbracht, dass Kräfte im Ausland, die Russland schaden wollten, verantwortlich seien.

"Vor allem ist dieser Mord jenen Leuten und Strukturen nützlich, welche die Lage im Land destabilisieren wollen, die verfassungsmäßige Ordnung stürzen, in Russland eine Krise herbeiführen und eine Rückkehr zum früheren Führungssystem wollen, in der alles durch Geld und von Oligarchen entschieden wurde", sagte er.

Auftraggeber gekannt und getroffen

Dies wird in Russland als unverhohlener Hinweis auf den im Londoner Exil lebenden früheren Oligarchen Boris Beresowskij verstanden. Der Unternehmer hatte in den neunziger Jahren starken Einfluss auf Präsident Boris Jelzin ausgeübt.

Unter Putin wurde er dann krimineller Machenschaften beschuldigt und musste das Land verlassen. Von seinem Londoner Exil hat sich Beresowskij wiederholt für revolutionäre Veränderungen in Russland ausgesprochen.

Politkowskaja habe die Auftraggeber des Mordes gekannt und getroffen, sagte Tschaika. Der Generalstaatsanwalt schloss nicht aus, dass Russland eine Auslieferung der mutmaßlichen Hintermänner fordern werde. Auch der tschetschenische Bandenchef, der die Ermordung Politkowskajas organisiert haben soll, hält sich nach russischen Medienberichten im Ausland auf.

Scharfe Putin-Kritik

Die Ermordung Politkowskajas und die schleppenden Ermittlungen hatten der russischen Führung internationale Kritik eingebracht. Die Journalistin war wegen ihrer Berichterstattung über die Lage in Tschetschenien, Menschenrechtsverletzungen in Russland und ihrer scharfen Kritik an Putin weltweit bekannt gewesen.

Wenige Tage nach dem Mord hatte Putin in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung erstmals die Behauptung aufgestellt, seine Gegner stünden hinter dem Verbrechen. "Die Ermordung Politkowskajas schadet der russischen und insbesondere auch der tschetschenischen Führung erheblich mehr, als es ein Zeitungsartikel vermag", sagte er damals.

Die jetzigen Ermittlungsergebnisse und die Beschuldigung früherer Oligarchen scheinen diese Version zu bestätigen. Nicht überraschend sind auch die Hinweise auf Beresowskij. Er gilt in Russland als "Staatsfeind Nummer eins".

Nach russischer Darstellung soll er auch verantwortlich sein für die tödliche Verstrahlung des früheren russischen Geheimdienstmannes Alexander Litwinenko in London. Nach britischen Ermittlungsergebnissen führt die Spur in diesem Fall allerdings nach Moskau.

© SZ vom 28.8.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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