Facebook:Wo der Rubel rollt

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Ist der Konzern bereit, gegen manipulierte Wahlpropaganda vorzugehen? Oder muss die Politik strenge Regeln schaffen, um die Demokratie zu schützen? Das Problem der Bots, durch Roboter geschaffene angebliche Nutzerkommentare, wächst.

Von Detlef Esslinger

Manchmal will ein Mensch nichts sagen und sagt doch irgendwie alles. Am 31. Oktober war so ein Moment. Im Justizausschuss des amerikanischen Senats befragte der Senator Al Franken von den Demokraten den Justiziar von Facebook, Colin Stretch. Es ging darum, wie Russland Facebook benutzte, um den amerikanischen Wahlkampf zu beeinflussen. "Wie kann es sein", wollte der Senator wissen, "dass Facebook nicht den Zusammenhang hergestellt hat, dass Wahlwerbung, die in Rubel bezahlt wurde, aus Russland kommt?"

Es lohnt sich, den Wortwechsel der beiden ausführlich wiederzugeben. Stretch also begann seine Antwort so: "In der Rückschau hätten wir weitsichtiger sein müssen. Es gab Zeichen, die wir übersehen haben, und nun machen wir..." Franken fuhr dazwischen: "Sie können nicht Rubel und eine Wahlwerbung in Verbindung bringen und zu dem Schluss kommen: Hm, das könnte etwas Böses ergeben?"

Stretch wiederholte seinen Zeichen-Satz.

Franken: "Okay, okay. Kann Facebook zusichern, in Zukunft keine Wahlwerbung mehr zu schalten, für die in ausländischer Währung bezahlt wird? Sagen wir mit Rubel oder nordkoreanischem Won?"

Stretch: "Senator, ich verstehe Ihr Argument, aber die Währung ..."

Franken: "Sie können meine Frage nicht mit Nein beantworten?"

Stretch: "Die Währung ..."

Franken: "Sagen Sie einfach Ja oder Nein, Sir."

Stretch: "Der Grund, warum ich zurückhaltend beim Thema fremde Währung bin, ist, dass es relativ einfach ist für Menschen mit bösen Absichten, die Währung zu wechseln."

Franken: "Warum würde jemand mit bösen Absichten sagen: Ich trickse Facebook aus, ich bezahle jetzt mit nordkoreanischem Won?"

Stretch: "Senator, unser Ziel ist, sicherzustellen, dass wir alle Formen von Missbrauch angehen."

Franken: "Und mein Ziel ist, dass Sie das alles besser durchdenken."

Die Phase ist längst vorbei, in der die sozialen Medien nur als Verheißung gesehen wurden. Ja, es ist großartig, wenn man bei Facebook nur den Namen eines Menschen einzugeben braucht, den man aus den Augen verloren hatte - und schon ein paar Sekunden später chattet man womöglich mit ihm. Aber der Mensch hat noch keine Erfindung getätigt, die er nicht alsbald auch anders genutzt hätte, als seine Erfinder das gedacht hatten.

Was der Mensch mittels Facebook und Twitter eben auch kann: Worte und Bilder als Waffen einsetzen. Er macht andere Menschen und ihre Meinungen nieder, und dabei besteht sein Publikum aus all den Millionen oder Milliarden Nutzern eines Netzwerks. Die reagieren sogleich mit Klicks auf "Gefällt mir"-, "Traurig"- oder "Wütend"-Symbole. Und der Mensch kann andere Menschen manipulieren: etwa indem er Lügengeschichten in einer früher undenkbaren Geschwindigkeit verbreitet. Russlands Präsident Wladimir Putin ist vielleicht kein großer Stratege, immerhin aber ein begnadeter Taktiker, der Gelegenheiten erkennt, in den Demokratien des Westens Verwirrung zu stiften.

Facebook schätzt, dass Politwerbung aus Russland insgesamt 150 Millionen Nutzern präsentiert worden ist. Darin wurde Angst vor Muslimen geschürt, der Rassenkonflikt in den USA wurde angeheizt - ohne dass die Herkunft der Spots erkennbar war. Bei Twitter soll es mehr als 36 000 russische Pseudo- Nutzer gegeben haben - Menschen, die gar nicht existieren, sondern reine Roboterkonstrukte ("Bots") sind. Im Präsidentschaftswahlkampf in den USA sollen diese Bots 1,4 Millionen Tweets in die Welt gesetzt haben. Eine Firma in St. Petersburg hat sich auf dieses Geschäft spezialisiert, ein ehemaliger Mitarbeiter verriet: "Unser Auftrag war es, Amerikaner gegen ihre Regierung aufzubringen." Gegen Obama und damit gegen die von ihm unterstützte Hillary Clinton.

Mark Zuckerberg, der Gründer von Facebook, hat sich dies lange nicht vorstellen können oder wollen: dass er eben auch ein Einfallstor für Propaganda geschaffen hat, ein Instrument zur Zersetzung der Demokratie. Auch im französischen Wahlkampf in diesem Jahr waren russische Akteure aktiv. Im deutschen Bundestagswahlkampf waren es wohl hiesige Rechtspopulisten und -radikale, die in Russland erprobte Methoden anwandten. Bots aus St. Petersburg spielten kaum eine Rolle, aber dies weniger aus dem Grund, dass Merkel kein lohnendes Ziel gewesen wäre - sondern weil die deutschen Behörden aus dem US-Wahlkampf gelernt hatten. Schon Monate vor der Wahl warnten sie laut vor den Methoden aus Russland. Damit war denen die subversive Kraft genommen.

Die Fragen für 2018 sind: Wird Facebook willens sein, etwas zu lernen? In den Worten des Senators Franken: "dass Sie das alles besser durchdenken"? Oder muss die Politik Regeln schaffen, um Demokratien vor Zuckerberg und Putin zu schützen?

© SZ vom 27.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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