Facebook:Vorsicht, Eltern!

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Es wächst gerade die erste Generation heran, die weltweit zur Schau gestellt werden kann - und vielen ihrer Väter und Mütter ist das alles andere als bewusst. Andernfalls würden sie wohl in den sozialen Netzwerken nicht posten, was sie so posten.

Von Ulrike Heidenreich

Es gibt im Internet Videokanäle, die kann man entweder zum Brüllen komisch finden - oder einfach nur schrecklich traurig. Die lustigsten Kinderunfälle zum Beispiel, ein Klickhit: Da kippen Kinder in Stühlen um, knallen mit Bobbycars gegen die Wand, bleiben in der Rutsche stecken. In aller Seelenruhe halten Eltern die Kamera drauf, wenn ihrem Nachwuchs Derartiges widerfährt. Später stellen sie das Video ins Netz - und das Kind damit zur Schau. Das Deutsche Kinderhilfswerk warnt nun mit einer Facebook-Kampagne vor Kinderfotos in sozialen Netzwerken. Das ist bitter nötig. Denn die Generation, die da so vorgeführt wird, kann sich noch nicht wehren. Sie muss erst erwachsen werden, um klagen zu können - gegen diese permanente Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte.

Es entbehrt nicht einer gewissen Komik, dass eine Kinderschutzorganisation nicht etwa Kindern Orientierungshilfe gibt; nein, Erwachsene sind die Adressaten. Viele Eltern scheinen nicht zu wissen, was sie da tagtäglich bei Facebook, Whatsapp und Instagram tun, gedankenlos, fahrlässig, geltungssüchtig.

Die Unfallvideos sind zwar Ausnahmen. Sie sind jedoch das Resultat einer Entwicklung, die keine Privatsphäre kennt, kein Recht aufs eigene Bild und keine Würde, die nicht bloß jeder Erwachsene, sondern auch jedes Baby besitzt. Der unreflektierte Umgang mit Fotos beginnt aber schon im ganz Kleinen, zum Beispiel dem Statusfoto auf Whatsapp. Wer da sein Kind zeigt statt sich selbst, sollte sich mal an die Nase fassen: Geht es ihm nicht eigentlich um Anerkennung für sich selbst? Schaut her, an welch schönem Strand mein Kind steht. Schaut her, wie gesund und glücklich es aussieht. Schaut her, was ich alles möglich mache.

Die wenigsten Eltern fragen ihre Kinder um Erlaubnis, bevor sie Fotos von ihnen aller Welt zeigen. Das sollten sie aber. Grundsätzlich hat jedes Kind ein Recht am eigenen Bild. Wenn es älter ist, muss es sogar ausdrücklich "Ja" sagen. Es ist also nicht nur ein Vertrauensbruch innerhalb der Familie, wenn man dies unterlässt. Es ist ein Verstoß gegen die Rechtsprechung. Diese gesteht jedem mit 14 Jahren die Einsichtsfähigkeit zu, über die Veröffentlichung von Fotos mitzubestimmen. Weil Feingefühl und Rücksichtnahme auf der eitlen Fotobörse Internet immer seltener werden, haben einige Länder bereits die Gesetze verschärft. In Frankreich droht Eltern, die ohne Einwilligung der Kinder Fotos von ihnen im Netz hochladen, die Zahlung von Schadenersatz bis zu 45 000 Euro.

Es wächst nun die erste Generation heran, die mit Kinderfotos von sich im Internet konfrontiert ist. Manche werden sich später darüber freuen. Manche werden sich vor Scham winden. Manche werden klagen. Man weiß es nicht. Auch nicht, wer die Fotos sonst so sieht und sie vielleicht missbraucht. Sind Kinderfotos erst im Netz, ist es fast unmöglich, sie zurückzuholen.

All dies sollten Eltern bedenken, bevor sie süße Fotos vom Nachwuchs posten. Sie sollten die Datenschutzeinstellung ihrer Accounts nutzen, keine Fotos vom Kind in peinlichen Situationen herumschicken, nicht sein Gesicht zeigen. Und im Zweifelsfall lieber auf einen Post verzichten. Wie bringt man Kindern den Umgang mit Daten im Internet bei? Die Eltern sind die Vorbilder.

© SZ vom 11.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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