Verfassungsschutz:AfD-Jugend und Institut als extremistisch eingestuft

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Kugelschreiber mit der Aufschrift „Verfassungsschutz“ liegen auf einem Tisch. (Foto: Soeren Stache/dpa-Zentralbild/dpa/Symbolbild)

Mehr als vier Jahre lang hat das Bundesamt für Verfassungsschutz die Junge Alternative als Verdachtsfall beobachtet. Jetzt ist sich die Behörde sicher: Die Vereinigung verfolgt verfassungsfeindliche Ziele. Ebenso wie ein Ideengeber der Neuen Rechten im Süden Sachsen-Anhalts.

Von Anne-Beatrice Clasmann, dpa

Schnellroda/Magdeburg (dpa) - Die Jugendorganisation der AfD wird vom Verfassungsschutz künftig als gesichert rechtsextremistische Bestrebung beobachtet. Wie das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) am Mittwoch mitteilte, werden neben der Jungen Alternative (JA) nunmehr auch zwei weitere Gruppierungen der sogenannten Neuen Rechten entsprechend eingestuft, das im Süden Sachsen-Anhalts ansässige Institut für Staatspolitik (IfS) und der Verein „Ein Prozent“. Alle drei Vereinigungen waren bislang als rechtsextremistische Verdachtsfälle vom Inlandsnachrichtendienst bearbeitet worden.

„Es bestehen keine Zweifel mehr, dass diese drei Personenzusammenschlüsse verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgen“, sagte BfV-Präsident Thomas Haldenwang. „Sie werden deshalb vom BfV als gesichert rechtsextremistische Bestrebungen eingeordnet und bearbeitet.“

Sachsen-Anhalts Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) erklärte, die Einstufung des Bundesamtes für Verfassungsschutzes zum Institut für Staatspolitik IfS in Schnellroda (Saalekreis) komme nicht überraschend. Das Institut gelte als ein wichtiger ideologischer Ideengeber der Neuen Rechten. „In Sachsen-Anhalt wurde es bereits 2019 als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. Das Bundesamt folgt nunmehr dieser Sichtweise.“

Die Ministerin betonte: „Unsere wehrhafte Demokratie muss ihre Feinde in den Blick nehmen. Dazu gehört auch, über das Entstehen extremistischer und gewaltbereiter Strukturen aufzuklären, damit niemand sagen kann, er habe es nicht gewusst.“

In der Mitteilung des Bundesamts für Verfassungsschutz heißt es: „Die JA propagiert ein völkisches Gesellschaftskonzept, das auf biologistischen Grundannahmen beruht“. Migranten außereuropäischer Herkunft würden von der Jungen Alternative als „grundsätzlich nicht integrierbar“ ausgegrenzt. Insbesondere Zuwanderern mit - vermeintlich - muslimischem Hintergrund würden in pauschaler Weise negative Eigenschaften zugesprochen, etwa kulturelle Rückständigkeit oder ein stark ausgeprägter Hang zu Kriminalität und Gewalt.

Der Jungen Alternative gehe es bei der Diffamierung und Verunglimpfung politischer Gegner offensichtlich nicht um eine politische Auseinandersetzung, „sondern um eine generelle Herabwürdigung des demokratischen Systems der Bundesrepublik Deutschland“.

Im vergangenen Oktober hatte die JA den AfD-Bundestagsabgeordneten Hannes Gnauck zu ihrem Bundesvorsitzenden gewählt. Er und andere JA-Mitglieder pflegen Kontakte zum Institut für Staatspolitik, dessen bekanntester Vertreter der Verleger Götz Kubitschek ist. Die vom IfS propagierte Vorstellung, „dass es ein deutsches Volk jenseits des im Grundgesetz als der Gesamtheit der deutschen Staatsangehörigen definierten Staatsvolkes gebe, impliziert eine Herabsetzung von eingebürgerten Staatsangehörigen zu Deutschen zweiter Klasse“, hieß es in der Mitteilung des Verfassungsschutzes.

Im Netzwerk der Neuen Rechten besetzt das Institut für Staatspolitik aus Sachsen-Anhalt aus Sicht des Verfassungsschutzes eine strategisch wichtige Rolle.

Götz Kubitschek teilte der Deutschen Presse-Agentur auf Nachfrage zur Einstufung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz mit: „Trotz dieses skandalösen Vorstoßes einer parteipolitisch instrumentalisierten Behörde sind wir uns in Anlehnung an eine relativ große deutsche Politikerin sicher: Wir halten durch, wir schaffen das!"“.

Der Verein „Ein Prozent“ propagiert nach Einschätzung des Verfassungsschutzes Positionen, die rassistisch, migranten-, fremden- und muslimfeindlich sind. In den vergangenen Jahren sei eine Zunahme verfassungsfeindlicher Äußerungen festgestellt worden.

Die AfD hatte versucht, die Beobachtung der JA und der Gesamtpartei als Verdachtsfall jeweils mit juristischen Mitteln zu verhindern. Beide Klagen scheiterten jedoch vor dem Verwaltungsgericht Köln. Die Partei legte später Berufung gegen die Urteile ein. Das Verfahren am Oberverwaltungsgericht in Münster ist noch nicht abgeschlossen.

Bei einem Verdachtsfall liegen „hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte“ für verfassungsfeindliche Bestrebungen vor. Das Bundesamt für Verfassungsschutz kann dann personenbezogene Daten auswerten und speichern. Das Bundesamt kann auch bei Verdachtsfällen bereits unter strengen Voraussetzungen schon nachrichtendienstliche Mittel einsetzen, also heimlich Informationen beschaffen - etwa durch Observation oder das Anwerben von Informanten. Nach einer gewissen Zeit, deren Dauer auf Bundesebene nicht gesetzlich geregelt ist, entscheidet der Verfassungsschutz, ob sich der Verdacht erhärtet oder nicht.

Die Einstufung als gesichert extremistische Bestrebung hat konkrete Folgen: Die Verhältnismäßigkeit beim Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel wird anders bewertet. Wird zu jemandem, der einer extremistischen Bestrebung zugerechnet wird, eine Sicherheitsüberprüfung vorgenommen - etwa weil er eine Erlaubnis zum Besitz von Waffen beantragt - fällt das, was der Verfassungsschutz dafür zuliefert, anders aus.

Der Verfassungsschutz berichtet zudem ausführlicher über die ihm vorliegenden Erkenntnisse. „Es ist Aufgabe und Pflicht des BfV, zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung die Öffentlichkeit über solche Bestrebungen aufzuklären“, sagte Haldenwang. Das Propagieren von Feindbildern und das Schüren von Ressentiments in der Bevölkerung seien generell geeignet, „den Boden für unfriedliche Verhaltensweisen gegenüber den Betroffenen zu bereiten“.

© dpa-infocom, dpa:230426-99-458571/2

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