Korruptionsskandal:Fraktionsvorsitzende wollen EU-Parlamentsvize Kaili absetzen

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Im Europaparlament herrscht nach Bekanntwerden der Schmiergeld-Vorwürfe Entsetzen. Die griechische Vizepräsidentin soll ihren Posten räumen. Die endgültige Entscheidung wird im Plenum gefällt.

Der unter Bestechungsverdacht stehenden Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Eva Kaili, droht die endgültige Absetzung. Die Fraktionsvorsitzenden im Europaparlament haben sich in der sogenannten Konferenz der Präsidenten einstimmig dafür ausgesprochen, teilte Parlamentspräsidentin Roberta Metsola mit. Noch am selben Tag soll das Plenum darüber debattieren. Aus ihrer griechischen Pasok-Partei und der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament wurde die 44-Jährige schon ausgeschlossen. Auch von ihren Pflichten als Vize hatte Metsola sie am Wochenende entbunden.

Die griechische Sozialdemokratin Kaili ist eine von sechs Verdächtigen, die von den belgischen Behörden seit Freitag in dem Korruptionsskandal festgenommen worden sind. Vier von ihnen kamen am Sonntag in Untersuchungshaft - darunter nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur und anderer Medien auch Kaili, ihr Freund und der ehemalige Europaabgeordnete Antonio Panzeri. Sie sollen der Staatsanwaltschaft zufolge am Mittwoch vor einer Gerichtskammer erscheinen, die über das Aufrechterhalten der Haft und das weitere Vorgehen entscheiden soll.

Sie selbst weist über einen ihrer Anwälte die Vorwürfe zurück. "Sie vertritt die Position, dass sie unschuldig ist", sagt Michalis Dimitrakopoulos dem griechischen Sender Open TV. "Sie hat nichts mit Finanzierung aus Katar zu tun, nichts - ausdrücklich und unmissverständlich. Das ist ihre Position."

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Die Griechin galt als eine der größten Hoffnungen der europäischen Politik. Sie stieg von der TV-Moderatorin bis zur Vizepräsidentin des EU-Parlaments auf - und sitzt nun in Haft.

Von Josef Kelnberger

Die Verdächtigen werden der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung, der Geldwäsche und der Korruption beschuldigt. Im Raum steht, dass das Golfemirat Katar, das derzeit die Fußball-Weltmeisterschaft ausrichtet, mit umfangreichen Geld- und Sachgeschenken versucht hat, Einfluss auf politische Entscheidungen im Europaparlament zu nehmen.

Katar weist die Vorwürfe zurück

Eine mögliche Visa-Erleichterung für Katar dürfte es daher so bald nicht geben. Zwar hatte der zuständige Ausschuss Anfang Dezember dafür gestimmt, jedoch verwies das Plenum angesichts der jüngsten Enthüllungen das Dossier am Montag zurück an das Gremium. "Wir müssen sicherstellen, dass dieser Prozess nicht durch Korruption beeinflusst wurde. Wir müssen auch dafür sorgen, dass jeder Versuch, unsere Demokratie anzugreifen, Konsequenzen hat", sagte der zuständige Berichterstatter Erik Marquardt (Grüne). Katar wies die in dem Skandal gegen die Regierung in Doha gerichteten Vorwürfe als haltlos zurück.

In der belgischen Hauptstadt treiben derweil die Ermittler ihre Arbeit voran. Am Montag durchsuchten sie auch Räume im EU-Parlament in Brüssel, wie die Staatsanwaltschaft mitteilte. Dabei seien Daten von Computern von zehn parlamentarischen Mitarbeitern beschlagnahmt worden. Am Sonntag habe es zudem Razzien in Italien gegeben.

Bargeldfunde in großer Höhe

Insgesamt gab es den Angaben zufolge seit Beginn der Ermittlungen 20 Durchsuchungen - 19 in Büros und Wohnräumen sowie eine im Europaparlament selbst. Dabei wurden demnach 600 000 Euro bei einem Verdächtigen gefunden, mehrere Hunderttausend Euro in einem Koffer in einem Brüsseler Hotel sowie 150 000 Euro in der Wohnung eines EU-Abgeordneten, dessen Name nicht genannt wurde.

Kaili selbst gerät derweil auch in ihrer Heimat weiter unter Druck. Die griechische Anti-Geldwäsche-Behörde ließ alle Vermögenswerte der 44-Jährigen einfrieren. Gleiches gilt demnach für ihre Eltern, ihre Schwester sowie ihren ebenfalls in Belgien verhafteten Freund. Untersucht würden Konten, Immobilienbesitz, Unternehmensbeteiligungen und ähnliche Vermögenswerte.

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