Italien stand einst im Ruf, das europafreundlichste Land der EU zu sein. Die Italiener sahen in der europäischen Einigung den Königsweg, um den fragwürdigen politischen Verhältnissen in Rom zu entkommen und mehr Stabilität und Wohlstand zu erhalten. Daher weht überall im Land die blaue Flagge mit den gelben Sternen. Daher wollte Italien partout bei der ersten Runde der Euro-Staaten dabei sein.
Inzwischen sind am italienischen Himmel jedoch ganz andere Sterne aufgegangen - die Leuchtkörper des Komikers Beppe Grillo. Dessen Fünf-Sterne-Bewegung kam auf 21 Prozent, was viel ist, doch nicht ganz so viel wie erwartet. Grillo und seine Sterne haben sich damit jedoch in der Parteienlandschaft Italiens festgesetzt. Allerdings schafften sie es nicht, wie lautstark angekündigt, stärkste Partei zu werden. Dies gelang den europafreundlichen Sozialdemokraten des neuen Premierministers Matteo Renzi, die einer ersten Hochrechnung des Staatsfernsehens Rai zufolge auf starke 40 Prozent kamen.
Wie der französische Front National agitiert die Fünf-Sterne-Bewegung gegen die heutige EU und deren Politik, die Grillo für die Wirtschaftsmisere in Italien samt der Massenarbeitslosigkeit unter Jugendlichen verantwortlich macht. Er fordert ein Referendum über einen Euro-Austritt und eine Mitfinanzierung der Staatsschulden durch alle EU-Staaten. Er sagt, wenn Deutschland nicht nachgebe, zahle Italien seine Schulden nicht mehr. Er will Politiker, Journalisten und Industrielle, die am Niedergang Italiens schuld seien, vor Online-Gerichte stellen. Und er warnt seine Gegner: "Ich bin nicht böse, ich bin sehr böse." Mit der rechtsextremen Französin Marine Le Pen will Grillo aber keine gemeinsame Sache machen, wie seine Bewegung am Wahlabend versicherte.
Beklagenswertes Niveau
Beruhigen kann das die EU kaum. Denn alle extrem europa-skeptischen Parteien in Italien zusammen, zu denen Silvio Berlusconis Forza Italia (etwa 17 Prozent) und die Lega Nord (etwa 6 Prozent) gehören, erzielten mehr als 40 Prozent. Berlusconi nannte den Euro im Wahlkampf eine "ausländische Währung", die Lega Nord bezeichnete ihn als "Instrument des Todes".
Flankiert wurden diese Angriffe mit Attacken auf Deutschland und die Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die für die Not Italiens verantwortlich gemacht werden. Sogar der besonnene sozialdemokratische Ex-Premier und frühere Präsident der EU-Kommission Romano Prodi fiel in dieses Lied ein. In einem Interview mit dem Polit-Magazin Espresso warf er Merkel jetzt vor, das populistische und nationalistische Lager in Deutschland abzudecken. In den vergangenen Jahren habe in Brüssel ausschließlich Deutschland kommandiert. Italien, Frankreich und Spanien müssten sich dagegen zusammentun.
Ansonsten war der Wahlkampf weniger von Europathemen als von einem innenpolitischen Dreikampf geprägt. Grillo, Berlusconi und Renzi arbeiteten sich aneinander ab. Das Niveau war oft beklagenswert. Berlusconi verglich Grillo mit Adolf Hitler. Der Komiker schlug im Gegenzug vor, Dudu - den Pudel von Berlusconis Verlobter - für Tierversuche herzunehmen.
Wohltuend hob sich da Premier Renzi ab. Er verzichtete auf polemische Angriffe auf Brüssel und Berlin. Renzi ist dabei keineswegs mit allem einverstanden. Auch er möchte die strikte Sparpolitik zugunsten von mehr Wachstum lockern und Europa "humaner" machen. Von Ton und Inhalt her wagte es Renzi aber, einen proeuropäischen Wahlkampf zu führen. Sein großer Erfolg stärkt ihn für kommende Aufgaben: Im Juli übernimmt Italien die Ratspräsidentschaft der EU.