Studie zur Europawahl:Die Hauptsache-Dagegen-Wahl

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Der Schattenriss eines Demonstranten hinter der europäischen Flagge (Foto: AFP)
  • Viele EU-Bürger stimmen nicht mehr für eine Partei, sondern gegen solche Parteien, die sie ablehnen.
  • Ausgerechnet europakritischen Parteien gelingt es besser, vor der Europawahl zu mobilisieren als den überzeugten Europäern.
  • Das zeigt eine neue Studie der Bertelsmann Stiftung.

Von Jacqueline Lang, Berlin

Die erfreuliche Nachricht: Die Absicht der Europäer zu wählen ist mit 68 Prozent deutlich höher als bei den Europawahlen 2009 und 2014. Die - zumindest für überzeugte Europäer - schlechte Nachricht: Den europakritischen Parteien an den politischen Rändern links und rechts gelingt es besser, ihre Anhänger zu mobilisieren, als der "wahlmüden politischen Mitte". Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Bertelsmann Stiftung.

Die Studie " Europa hat die Wahl - Populistische Einstellungen und Wahlabsichten bei der Europawahl 2019" wurde im Januar durchgeführt. Teilgenommen haben 23 725 Wahlberechtigte in 12 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, darunter unter anderem Deutschland, Schweden, Großbritannien und Griechenland. Wert gelegt worden sei bei der Auswahl auf eine ausgewogene Mischung aus Süd- und Osteuropäischen Ländern, sowie aus Mitteleuropa und Skandinavien.

Zusammen machen die Wahlberechtigten in den ausgewählten Ländern 82 Prozent aller Wahlberechtigten innerhalb der EU aus. Robert Vehrkamp, einer der drei Autoren der Studie und Demokratieexperte der Bertelsmann Stiftung, ist daher überzeugt, dass die Studie trotz einiger Länder, in denen keine Befragungen durchgeführt worden sind, repräsentativ für ganz Europa ist.

Bislang sei es nicht möglich gewesen, einen Kausalzusammenhang zwischen Repräsentation und Populismus empirisch zu belegen. "Diese Lücke zu schließen ist eines der Ziele der vorliegenden Studie", heißt es. Diese zeigt: Je schlechter sich eine Person von den etablierten Parteien repräsentiert fühlt, desto mehr ist sie geneigt, Populisten ihre Stimme zu geben.

"Die Höhe der Wahlbeteiligung wird für das Wahlergebnis und die Zukunft Europas entscheidend sein", sagt Aart de Geus. Der Vorstandsvorsitzende der Bertelsmann Stiftung ist überzeugt, dass nur eine rege Beteiligung eine "arbeitsfähige Mehrheit im europäischen Parlament" ermöglichen kann. Denn die Studie zeigt auch: "Einig sind sich die Populisten nur in ihrer EU-Skepsis und Demokratiekritik."

In Sachfragen sind die Wähler der Links- und Rechtspopulisten noch stärker gespalten als die übrigen Wähler. Die Folge: Konsensentscheidungen und positive Mehrheiten werden im EU-Parlament immer größere Koalitionen der etablierten Parteien erfordern.

Gleichzeitig führe eine Koalition der Mitte mit doch recht unterschiedlichen Positionen, die es zu vereinen gilt, häufig dazu, dass sich die Menschen immer seltener gut repräsentiert fühlen, heißt es in der Studie. Im schlimmsten Fall könnten so entstehende negative Mehrheiten zu "Selbstblockade und Stillstand" führen, sagt Vehrkamp. Populisten würden diese Repräsentationsdefizite wiederum für ihre Zwecke nutzen.

Immer mehr Europäer entscheiden sich offenbar auch nicht mehr für eine Partei, sondern wählen gegen solche Parteien, "die sie am stärksten ablehnen". Im Durchschnitt über alle Parteien identifzieren sich gerade einmal sechs von 100 Wahlberechtigten jeweils mit einer Partei positiv. Dagegen werden die Parteien im Schnitt von jedem zweiten abgelehnt - worin sich eine "negative Parteiidentität" äußert. Das sei insofern interessant, als das extreme und populistische Parteien mit rund 52 Prozent die höchste Ablehnungswerte aufweisen. Gleichzeitig haben Rechtspopulisten mit rund zehn Prozent und Linkspopulisten mit sechs Prozent relative hohe Werte bei den positiven Parteiidentifikationen.

"Ihre gleichzeitig hohen Ablehnungswerte zeigen aber auch, wie gefährlich es für andere Parteien wäre, die populistischen Parteien nachzuahmen", sagt Vehrkamp. Glücklicherweise hätten aber mittlerweile die meisten Parteien offenbar erkannt, dass es nichts bringe, die Rhetorik der Populisten aufzugreifen. Wichtig sei es vielmehr, "verschiedene Positionen und Interessen in der Gesellschaft besser abzubilden um im politischen Prozess zu vertreten". Nur gute Repräsentation helfe gegen Populismus. In Deutschland liegt die Wahlabsicht mit 73 Prozent deutlich über dem europäischen Schnitt. Ob sich diese Absicht in der Wahl widerspiegelt, bleibt abzuwarten. Vehrkamp rät den Parteien, die letzten vier Wochen bis zur Wahl zu nutzen, um aufzuzeigen, was auf dem Spiel steht: Die Zukunft Europas.

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