Die letzte Märzwoche war von zwei politischen Großereignissen beherrscht. Der Machtverlust der Regierungsparteien im Stammland der CDU besiegelte den zügigen Ausstieg aus der Atomenergie; zwei Tage zuvor verkoppelte der Europäische Rat seine Beschlüsse zur Stabilisierung der gemeinsamen Währung mit einer Initiative zur überfälligen Koordinierung der Wirtschaftspolitiken in den beteiligten Mitgliedsstaaten.
Angela Merkel auf dem EU-Gipfel in Brüssel im März 2011.
(Foto: AFP)Allerdings wird das Gewicht dieses integrationspolitischen Schubs öffentlich kaum wahrgenommen, denn in anderen Hinsichten bilden die beiden Ereignisse einen bemerkenswerten Kontrast.
In Baden-Württemberg kippt eine soziale Bewegung nach vierzig Jahren zivilgesellschaftlichen Protestes eine beinharte Mentalität, auf die sich die industriefreundlichen Eliten bislang verlassen konnten. In Brüssel wird nach einem Jahr Spekulation gegen den Euro hinter verschlossenen Türen ein Maßnahmenpaket "für wirtschaftspolitische Steuerung" verabschiedet, mit dessen Auswirkungen sich in erster Linie Juristen, Ökonomen und Politologen beschäftigen werden. Dem langfristig von unten erkämpften Mentalitätswandel dort steht hier ein von den Finanzmärkten kurzfristig erzwungener Integrationsschub in der Zusammenarbeit der nationalen Regierungen gegenüber.
Die energiepolitische Wende, die sich über Jahrzehnte im politischen Licht einer lärmend-argumentierenden Öffentlichkeit angebahnt hat, bedeutet eine Zäsur. Aber gilt das auch für den expertokratisch ausgehandelten, in den Wirtschaftsteilen der Presse versickerten, fast tonlos vollzogenen Politikwechsel zu einer intensiveren Abstimmung von Politiken, die gemäß dem Europavertrag in nationale Zuständigkeit fallen? Was ist das Problem - und kann es durch eine Verabredung unter den Regierungschefs der betroffenen Mitgliedstaaten überhaupt gelöst werden?