Europäische Union:Polen und Ungarn blockieren EU-Etat

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Die Regierungen protestieren damit gegen die Entscheidung, dass die EU künftig Fördermittel kappen kann, wenn Richter drangsaliert werden.

Von Björn Finke und Matthias Kolb, Brüssel

Der EU-Haushalt für die kommenden Jahre und der Corona-Hilfstopf könnten sich weiter verzögern. Am Montag stimmten die EU-Botschafter der Mitgliedstaaten in Brüssel über wichtige Teile des Finanzpakets ab, und die Vertreter Ungarns und Polens verweigerten dabei ihr Placet. Insgesamt geht es um 1,8 Billionen Euro: Der sogenannte Mehrjährige Finanzrahmen, ein grober Etatplan für die sieben Jahre bis 2027, umfasst 1074 Milliarden Euro; dazu kommt der 750 Milliarden Euro schwere Corona-Fonds.

Die Botschafter verabschiedeten bei ihrer Sitzung den umstrittenen Rechtsstaats-Mechanismus, auf den sich Mitgliedstaaten und Europaparlament vor zwei Wochen geeinigt hatten. Demnach soll es künftig erstmals möglich sein, EU-Fördergelder zu kürzen, wenn in den Empfängerländern der Rechtsstaat nicht funktioniert. Gegen Polen und Ungarn laufen bereits EU-Verfahren wegen Sorgen um den Rechtsstaat. Daher votierten beide Regierungen gegen die neue Klausel. Da keine Einstimmigkeit nötig war, hatte dies aber keine Folgen.

Dafür verweigerten die zwei Regierungen dann ihr Einverständnis zu anderen Teilen des Pakets, bei denen Einstimmigkeit vorgeschrieben ist. Hier ging es erstens um den Kompromiss für den Sieben-Jahres-Finanzrahmen, den die Mitgliedstaaten und das EU-Parlament vorige Woche ausgehandelt hatten. Die Abgeordneten hatten sich da mit der Forderung durchgesetzt, einige EU-Programme leicht aufzustocken. Ohne Zustimmung aller 27 Mitgliedstaaten kann der Etat nicht im Januar in Kraft treten.

Zweitens votierten die Vertreter Ungarns und Polens gegen den sogenannten Eigenmittelbeschluss. Der würde es der Kommission erlauben, für den Corona-Topf erstmals in großem Stil Schulden aufzunehmen. Der Regelung müssen alle Regierungen zustimmen; in einem zweiten Schritt muss sie dann auch noch von den meisten nationalen Parlamenten gebilligt werden. Das ist bis Jahresende schon nicht mehr zu schaffen. Doch ohne Eigenmittelbeschluss kann der Hilfsfonds kein Geld ausschütten. Insgesamt sollen 390 Milliarden Euro an nicht rückzahlbaren Zuschüssen fließen, dazu kommen 360 Milliarden Euro an günstigen Darlehen. Zu den größten Profiteuren gehören Italien und Spanien, deren Volkswirtschaften stark unter der Pandemie leiden.

Hochrangige EU-Diplomaten sagen, die nun entstandene "Krise" müsse auf höchster Ebene behandelt werden. Neben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) werden auch Ursula von der Leyen und Charles Michel, die Präsidenten von EU-Kommission und Europäischem Rat, nach einer Lösung suchen. Zudem dürften die anderen Staats- und Regierungschefs ihr Missfallen gegenüber den Regierungen in Budapest und Warschau zum Ausdruck bringen. Eine Gelegenheit ist die seit Längerem für Donnerstag geplante Videokonferenz, bei der es eigentlich um die Koordinierung des Kampfes gegen die Corona-Pandemie gehen soll. Allerdings ist solch ein virtuelles Format nicht gut geeignet, um Kompromisse in kleinen Runden auszuloten. Nach einer Einigung der Mitgliedstaaten auf alle Teile des Pakets muss noch das Europaparlament final darüber abstimmen.

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