Bei der Beförderung des deutschen Spitzenbeamten Martin Selmayr zum Generalsekretär der Europäischen Kommission wurde womöglich gegen EU-Regeln verstoßen. Im Haushaltskontrollausschuss des Europaparlaments gibt es Zweifel am ordnungsgemäßen Ablauf des Wechsels Selmayrs vom Posten des Kabinettschefs von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zum Generalsekretär und damit zum höchsten Beamten der Behörde. "Die Berufung von Selmayr muss parlamentarisch untersucht werden", sagte der finanzpolitische Sprecher der Grünen im EU-Parlament, Sven Giegold. "Wir Grünen haben im Haushaltskontrollausschuss eine Untersuchung beantragt." Diesem Antrag dürfte die Mehrheit des Ausschusses zustimmen.
Besonders auf französischer Seite gibt es Unmut
Selmayr war am Mittwoch zunächst zum stellvertretenden Generalsekretär und Minuten später zum Generalsekretär ernannt worden. Bereits der zeitliche Ablauf in den Wochen davor wirft Fragen auf. Juncker selbst hatte gesagt, dass der bisherige Generalsekretär ihn schon vor langer Zeit informiert habe, in Ruhestand gehen zu wollen. Dass er Selmayr als Nachfolger vorgesehen habe, erfuhren Teile des Kommissarskollegiums aber erst kurz vor der Abstimmung über die Personalie. Ein Kommissionssprecher betonte am Montag: "Es hat einen Nominierungsprozess gegeben nicht nur nach den Buchstaben, sondern auch nach dem Geist der Regeln."
Kritik entzündet sich nicht nur am Auswahlverfahren, sondern auch an der Tatsache, dass künftig ein Deutscher den einflussreichen Posten bekleidet. So gibt es insbesondere auf französischer Seite Unmut darüber, dass künftig die Bürokratien dreier von vier Brüsseler Institutionen von deutschen Generalsekretären geleitet werden. So ist der Deutsche Klaus Welle seit 2009 Generalsekretär des Europäischen Parlaments und die Deutsche Helga Schmid seit 2016 Generalsekretärin des Auswärtigen Dienstes. Der für Personal zuständige EU-Kommissar Günther Oettinger hatte betont, Selmayr sei zwar Deutscher, "aber mit Sicherheit kein Undercover-Agent der deutschen Politik". Allerdings gehen Insider in Brüssel davon aus, dass Selmayrs Berufung in jedem Fall dem deutschen Konto zugerechnet wird und der Besetzung weiterer Spitzenposten mit Deutschen im Wege stehen könnte - auch den Ambitionen von Bundesbankchef Jens Weidmann, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) zu werden.