EU-Gericht:Spanisches Verfahren zu Zwangsräumungen illegal

Lesezeit: 2 min

Jeden Tag werden in Spanien 500 Immobilien zwangsgeräumt, weil Hypotheken nicht mehr bezahlt werden können. Bisher gab es gegen die Räumungen keine juristische Handhabe - selbst wenn es Zweifel an den Verträgen gab. Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs ändert das jetzt.

Zehntausende Menschen haben in Spanien nach Beginn der Wirtschaftskrise ihre Wohnungen verloren - sie konnten die Bankkredite nicht zurückzahlen. Einige Opfer von Zwangsräumungen nahmen sich gar das Leben.

Nun hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) das spanische Verfahren zur Zwangsräumung von Wohnungen für illegal erklärt. Nach einer Entscheidung der Richter verstößt die spanische Gesetzgebung gegen den im EU-Recht verankerten Verbraucherschutz. In dem am Donnerstag in Luxemburg veröffentlichten Urteil entschied das höchste EU-Gericht, dass die spanischen Gesetze den Bürgern keinen ausreichenden Schutz vor missbräuchlichen Klauseln in den Hypothekenverträgen böten.

Der Fall des Marokkaners Mohammed Aziz hatte das Verfahren ausgelöst. Der Nordafrikaner war 2011 mit seiner Familie aus seiner Wohnung in Martorell bei Barcelona vertrieben worden, weil er die Raten für ein Darlehen über 138.000 Euro nicht mehr gezahlt hatte. Er versuchte vor Gericht vergeblich, die Zwangsräumung anzufechten, weil er bestimmte Klauseln im Vertrag mit der Bank für missbräuchlich hielt.

Bisher hatten spanische Richter in solchen Fällen nicht die Möglichkeit, eine Zwangsräumung aufzuschieben, bis die Gerichte über die Rechtmäßigkeit von Hypothekenverträgen entschieden haben. Die betroffenen Bürger hatten allenfalls die Möglichkeit, nachträglich eine Entschädigung zu verlangen. Nach dem Urteil des EuGH bedeutet eine solche Entschädigung jedoch keinen hinreichenden Ausgleich für den Verlust einer Wohnung.

Der spanische Handelsrichter José María Fernández Seijo, der den Fall vor den EuGH gebracht hatte, erklärte: "Das Urteil wirft die Regeln für Zwangsräumungen über den Haufen." Die Entscheidung erlaube es von nun an den spanischen Gerichten, Zwangsräumungen auszusetzen, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Hypothekenverträge bestünden, sagte der Jurist der Nachrichtenagentur Efe.

Die Madrider Regierung kündigte an, die Entscheidung des EuGH in einer Gesetzesreform zu berücksichtigen. "Wir verpflichten uns dazu, alle Aspekte zu korrigieren, die nach dem Urteil gegen das EU-Recht verstoßen", sagte Justizminister Alberto Ruiz-Gallardón.

Massive Proteste gegen Zwangsräumungen

Der rasante Anstieg der Arbeitslosigkeit auf eine Quote von mehr als 26 Prozent hat in Spanien dazu geführt, dass derzeit pro Tag mehr als 500 Immobilien zwangsweise geräumt werden. Dazu gehören nicht nur Wohnungen, sondern auch Garagen, Werkstätten oder Grundstücke.

Die Zwangsräumungen lösten eine Welle von Protesten aus. Mehr als 1,5 Millionen Spanier unterstützten ein Volksbegehren, das ein sofortiges Ende aller Zwangsräumungen forderte. Die konservative Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy leitete aufgrund der Proteste eine Gesetzesinitiative ein, die die sozialen Härten abmildern sollte. Sie zögerte die Verabschiedung der Reform im Parlament aber hinaus, um die Entscheidung des EuGH abzuwarten.

© Süddeutsche.de/dpa/gal - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: