EU:Ein Berg an Problemen - Merkel und EU in der Flüchtlingskrise

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Angela Merkel beim Gipfel in der Hauptstadt Maltas. Foto: Armando Babani (Foto: dpa)

Valletta (dpa) - Eigentlich sollte Afrika im Mittelpunkt stehen. Aber in der Flüchtlingskrise halten Pläne nicht allzu lang.

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Valletta (dpa) - Eigentlich sollte Afrika im Mittelpunkt stehen. Aber in der Flüchtlingskrise halten Pläne nicht allzu lang.

Und so geht es beim EU-Afrika-Gipfel in Valletta auf Malta hinter den Kulissen vor allem um andere Dinge - um die Türkei, die neuen Grenzkontrollen der Schweden, aber auch um den Kurs der Deutschen in der Krise. Für Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ist die aktuelle Lage mehr als unangenehm.

Die EU setzte den Afrika-Gipfel schon vor ein paar Monaten an. Die Europäer wollen, dass sich weniger Afrikaner auf den Weg über das Mittelmeer machen. Dazu reden sie in Valletta auch mit Vertretern von Regierungen, die ihre Bürger malträtieren und unterdrücken. Unter dem Druck der Krise drückt man beim Thema Menschenrechte auch mal ein Auge zu.

Mit den Afrikanern ist nun einiges vereinbart: Die EU will Milliarden geben, mehr Visa für Studenten vergeben, helfen, Jobs auf dem Kontinent zu schaffen. Und erwartet im Gegenzug, dass die Afrikaner sich bemühen, ihre Leute im Land zu halten - und sie notfalls wieder zurücknehmen.

Doch bislang haben die EU-Staaten nur äußerst zögerlich in den dafür vorgesehenen Afrika-Hilfsfonds eingezahlt. Und auch der gemeinsame „Aktionsplan“ von Valletta bleibt an vielen Stellen vage. Die Afrikaner sind längst nicht so entgegenkommend wie erhofft. Denn die EU-Migranten sind für viele afrikanische Staaten eine wichtige Finanzquelle, weil sie eifrig Geld zurück in die Heimat überweisen. Ob die Valletta-Beschlüsse also helfen, die Zahl der Mittelmeer-Flüchtlinge zu reduzieren, ist fraglich.

Merkel spricht auch lieber von einem „Startpunkt eines längeren Prozesses“. Und nein, das Problem sei durch den Gipfel noch nicht gelöst, räumt sie ein. „Es liegt auch noch sehr viel Arbeit vor uns.“

Die Schwierigkeiten haben sich ohnehin verlagert: Derzeit kommt nur noch einer von sieben Flüchtlingen über das Mittelmeer nach Europa. Die mit Abstand größte Gruppe schlägt sich über die Balkanroute Richtung EU durch. Entlang dieser Strecke ist die Lage völlig außer Kontrolle geraten.

Die Lage macht Merkel an allen Ecken und Enden zu schaffen. Die EU-Staaten sind in der Flüchtlingsfrage so uneins wie bei keinem anderen Thema. Merkel steht mit ihrem Ruf nach einem dauerhaften Verteilsystem für Flüchtlinge in Europa ziemlich alleine da.

Und der Druck in der Heimat ist übergroß: Parteikollegen lehnen sich auf gegen Merkels Politik der offenen Arme für Schutzsuchende. Die Schwesterpartei CSU schießt seit Wochen quer. Die Umfragewerte gehen nach unten. Auch der Koalitionspartner SPD sperrt sich immer wieder gegen Asyl-Vorhaben der Union. Und neuerdings tanzt noch dazu Innenminister Thomas de Maizière (CDU) ständig aus der Reihe - und auch Merkels wichtiger Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) schert auffallend aus.

Das deutsche Hickhack ist auch in Valletta Thema. Bislang fuhr die Bundesregierung einen betont großzügigen Kurs gegenüber Asylbewerbern aus Syrien. Das ändert sich gerade. Manch einer in Europa, gerade im Osten, sieht das mit Genugtuung. Litauens Präsidentin Dalia Grybauskaite sagt süffisant, Deutschland versuche offenbar gerade zu verstehen, wie die Realität aussehe.

Auch andere Europäer verschärfen die Gangart gegenüber Flüchtlingen. Dänemark und Norwegen haben eine Verschärfung ihrer Asylgesetze angekündigt, Slowenien mit dem Bau von Grenzzäunen zu Kroatien begonnen. Ungarn hat sich schon in verschiedene Richtungen mit Sperranlagen abgeschottet. Und Schweden führt nun vorübergehend wieder Grenzkontrollen ein - ein Mittel, zu dem Deutschland schon vor vielen Wochen gegriffen hat.

Mit Blick auf die jüngsten Entscheidungen aus Deutschland, Slowenien und Schweden sieht EU-Ratspräsident Donald Tusk schon das Reisen ohne Grenzkontrollen in Europa in Gefahr.

Ein Schlüsselland in der Krise ist die Türkei - das wichtigste Transitland für Flüchtlinge auf dem Weg in die EU. Aber die Türkei will sich ihre Kooperation mit der EU teuer abkaufen lassen. Auch das ist für Merkel heikles Terrain. Die EU - und allen voran sie - umgarnen einen Staatspräsidenten, der es mit Menschenrechten und Meinungsfreiheit nicht so genau nimmt. Und Recep Tayyip Erdogan genießt das sichtlich. In den nächsten Wochen dürfte die EU sogar zu einem gesonderten Gipfel mit der Türkei einladen.

Am Sonntag treffen sich die G20-Staats- und Regierungschefs in Antalya beim Gastgeber Erdogan. Angesichts der vielen Widerstände, mit denen Merkel zu kämpfen hat, hofft sie dort auf Unterstützung in der Flüchtlingskrise. Verbündete kann sie dringend brauchen.

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